Piazza Maggiore • I-40124 Bologna (BO)
1390 beauftragte die Stadt Bologna Antonio di Vincenzo mit dem Bau einer riesigen Kirche im gotischen Stil, die dem Heiligen Petronius (Bischof von Bologna im 5. Jahrhundert) geweiht werden sollte. Ursprünglich sollte sie größer als der (damalige) Petersdom in Rom werden. Auf Anordnung des Papstes wurde diese Absicht jedoch aufgegeben.
Über Jahrhunderte wurde an der Kirche gebaut. Nach der ersten Gestaltung der Fassade im Jahre 1393 begannen die Arbeiten an den Seitenkapellen, die erst 1479 vollendet wurden. Die Gliederung der Fassade wurde durch die Anlage neuer Seitenportale bereichert, die das Hauptportal von Jacopo della Quercia ergänzen sollten. Allerdings wurde der Bau zeitweilig eingestellt und später wiederaufgenommen. Viele Architekten (darunter Baldassare Peruzzi, Giacomo Barozzi da Vignola, Andrea Palladio, Leon Battista Alberti) wurden für ein Gesamtkonzept zu Rate gezogen, ohne aber jemals eine endgültige Lösung zu finden. Die Fassade ist bis heute unvollendet.
Die Basilika wurde der Diözese erst im Jahre 1929 übergeben und 1954 geweiht. Erst seit 2000 bewahrt sie die Reliquien ihres Titelheiligen, die sich bis dahin in der Basilika Santo Stefano befanden. Heute ist San Petronio die Hauptkirche von Bologna. Mit ihren gewaltigen Dimensionen ist die Basilica minor eine der größten Kirchen der Welt.
Die beiden Orgeln von San Petronio in Bologna gehören zu den ältesten erhaltenen und somit wertvollsten Orgeln der Welt. Zugleich markiert die Lorenzo-da-Prato auf der Orgel einen Meilenstein der Orgelbaugeschichte, da hier erstmals das alte Blockwerksprinzip zugunsten einzeln schaltbarer Pfeifenreihen aufgegeben wurde.
Kurz nach der Eröffnung der Basilika wurde am 22. Januar 1393 ein Holzteil „pro pulsando organum“ erworben. Das heißt, wir können davon ausgehen, dass von Anfang an eine Orgel in San Petronio vorhanden war, wobei es sich hierbei um ein kleines transportables Instrument gehandelt haben mag. Die erste fest installierte Orgel erhielt die Basilika 1440, erbaut von Andrea und Giovanni Molighi aus Sant’Arcangelo di Romagna. Wartungsarbeiten an dieser Orgel sind vom gleichen Orgelbauer aus den Jahren 1442, 1448 und 1463 belegt.
Mit dem Fortschreiten der Bauarbeiten der Basilika schloss man 1470 den Vertrag zum Bau einer neuen Orgel mit dem Maler und Orgelmacher Lorenzo di Giacomo aus der toskanischen Stadt Prato. Der Bau des 1200 Lire teuren Instruments zog sich über die Jahre 1471 bis 1475 hinweg. Im August 1475 schließlich war das Instrument fertiggstellt. Mit zehn Registern auf 24-Fuß-Basis und mit einem Tonumfang von 51 Tasten war die Bologneser Orgel ein ausgesprochen großes Instrument, zumal hier erstmals so viele Register einzeln geschaltet werden konnten. Zunächst stand die Orgel mit verschließbaren Türen auf einer gemauerten Empore zwischen zwei Säulen.Die Prospektpfeifen sind mit sehr hoher Bleilegierung gegossen.
Im Herbst 1520 führte Francesco Pesci eine größere Reparatur an der Orgel durch, bei der er die Tasten erneuerte, eine große Pfeife sowie einige Pedaltasten ersetzte. Für eine erneute Reparatur schlägt Giovanni Batista Facchetti aus Brescia 1528 unter anderem vor, die Orgel um einen Ton tiefer zu setzen und ein Subsemitonium für das As hinzuzufügen. Bei den umfangreichen Arbeiten, die 1531 ausgeführt werden, erneuert Facchetti auch das Gehäuse. Im Jahr 1563 fügt Giovanni Cipri anlässlich einer Restaurierung den Flauto in XII als neues Register hinzu. Bei einer weiteren Arbeit sichert dessen Sohn Paolo Cipri v. a. drei große Prospektpfeifen. 1596 baute Malamini eine zweite Orgel für San Petronio.
Beide Orgeln wurden 1641/42 von Antonio Dal Corno-Colonna renoviert. Der gleiche Orgelbauer versetzte beide Orgeln im Sommer 1659 in den letzten Bogen vor der Apsis, wo sie bis heute stehen; die Lorenzo-da-Prato-Orgel auf der Epistelseite („in cornu Epistolae“, vom Kirchenschiff aus gesehen rechts). 1674/75 restauriert Giovanni Paolo Colonna beide Orgeln, wobei durch Giovanni Giacomo Monti neue barocke Gehäuse um die bestehenden Orgelgehäuse gebaut werden.
Beide Orgeln wurden 1708 durch Francesco Traeri um einen Ton tiefer gesetzt. Dabei fügte Traeri der alten Orgel die Contrabassi hinzu und erneuerte die acht Bälge. Nach Schäden durch einen Blitzschlag am 2. Juli 1714 reparierte Traeri das Instrument und baute den zweiten Principal 24’ zu einem neuen, zweiten Principal 12’ um.
Nachdem im zweiten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts bereits die Malamini-Orgel an die neuen musikalischen Vorstellungen angepasst worden war, wurde nun auch die Lorenzo-da-Prato-Orgel erneuert: Alessio Verati ergänzte drei Töne in der untersten Oktave, erneuerte Pedalklaviatur und -traktur und fügte ein „Raddoppio“ zur Decimanona hinzu. Zur Versärkung der Windlade baute er einen zweiten Windkanal, und er simmte die Orgel in den „modernen Chorton“ um.
Adriano Verati reinigte und reparierte beide Orgeln 1892/93, wobei nun auch die alte Orgel – wie 30 Jahre zuvor die Malamini-Orgel – durch Zusatzbälge unter der Windlade im Windzufluss stabilisert werden sollte. Der gleiche Orgelbauer erneuerte das Tiratutti im Jahr 1905. Filippo Tronci stattete die Orgel 1913 anlässlich einer Reinigung und Reparatur mit einem neuen radgetriebenen Gebläse aus. 1949 wurden beide Orgelgebläse durch die Firma Fratelli Ruffatti aus Padua elektrifiziert. Die Orgelbauwerkstatt Tamburini aus Crema führte 1954 weitere Arbeiten an den Orgeln aus.
In den 1970er Jahren begannen schließlich unter der Federführung von Luigi Ferdinando Tagliavini die ersten Überlegungen zur fachgerechten Restaurierung und Rückführung des einmaligen Orgelensembles in der Bologneser San-Petronio-Kathedrale. Im Herbst 1974 wurde zunächst die da-Prato-Orgel ausgebaut und sorgfältig restauriert; es folgte 1977 die Malamini-Orgel. Im Juli 1982 konnten beide von der Orgelbauwerkstatt Tamburini (Crema) sorgfältig restaurierten Instrumente feierlich eingeweiht werden.
Die gotische Orgel „in cornu Epistolae“ wurde auf ihren Urpsrungszustand zurückgeführt, wobei die Veränderungen Facchettis von 1531 erhalten blieben. Die ehemalige Verdopplung des Principal 24’ wurde wiederhergestellt. Der große Tastenumfang reicht von F1 bis a². Das Instrument ist mitteltönig gestimmt und hat eine Stimmtonhöhe von a¹ = 466 Hz. Der Winddruck liegt bei 52 mmWS. Die Windladen sind, wie in allen italienischen Orgeln der Zeit, in einfachster Springladen-Bauweise gefertigt. Prospekt- wie Innenpfeifen sind größtenteils aus Zinn. Bei der Restaurierung wurden alle Pfeifen an ihren ursprünglichen Ort zurückversetzt. Rekonstruktionen wurden mit historischen Arbeitsweisen vorgenommen.
Rechts neben der Manualklaviatur befinden sich die Registerhebel in einer Reihe; zum Einschalten müssen die Hebel nach unten geschoben und dann nach rechts eingehakt werden. Zum Schutz kann bei Nichtbenutzung ein Holzbrett vor die Hebel geklappt werden. Der Hebel ganz links ist für das Tiratutti. Die von Tamburini 1974-82 rekonstruierte Pedalklaviatur mit 20 Tasten ist leicht schräg angelegt.
Manuale F1G1A1 – a², Subsem. Gis/As, gisº/asº, gis¹/as¹ |
Pedali F1G1A1 – dº |
Accessori |
Principale contrabasso [24’] Raddoppio [24’ ab cisº] Principale [12’, 2fach ab cisº, 3fach ab bº] Flauto in VIII Flauto in XII [Cipri 1563] Ottava [2fach ab bº] XII XV XIX [rep. bei es²] XXII [rep. bei b¹] XXVI [rep. bei es¹ und es²] XXIX [rep. bei bº und b¹] |
[angehängt] |
[Tiratutti del Ripieno] |
Andrea Emiliano, Il restauro degli organi di S. Petronio, Bologna 1982
© Gabriel Isenberg, 2010
www.orgelsammlung.de
© Dr. Gabriel Isenberg, 2023