Domshof • D-28195 Bremen
Der erste Dom in Bremen wurde im Auftrag von Bishof Willehad im Jahre 787 auf einer Sanddüne erbaut und war aus Holz. Im Jahr 1041 begann man mit dem Bau des heutigen Doms. Trotz mehrmaliger verheerender Brände, Einstürzen und umfangreichen Restaurierungen hat sich das Erscheinungsbild des Doms seit 1000 Jahren im Wesentlichen kaum verändert. Die im 11. Jahrhundert begonnene Errichtung des zunächst romanischen, später gotischen Kirchenbaus dauerte knapp 200 Jahre. Im 14. Jahrhundert wurde er um eine seitliche Kapelle erweitert und im späten 16. Jahrhundert erfolgte eine Umgestaltung der Nordseite in eine spätgotische Hallenkirche. Sein heutiges Aussehen erhielt der Dom durch eine umfassende Erweiterung und Renovierung im Jahre 1888. Die Nachbearbeitung des farbigen Innenlebens der Kirche in den 1970er Jahren erfolgte in Anlehnung an mittelalterliche Vorgaben. Die kraftvollen, farbigen Glasfenster stammen ebenfalls aus dem 19. Jahrhundert. Der älteste Raum ist die knapp 1000 Jahre alte Westkrypta. Sie wurde 1066 geweiht.
Schon im 13. Jahrhundert besaß der Dom Orgeln: es gibt ein Dokument aus dem Jahr 1244, worin der Bremer Erzbischof die Verpflichtungen des Kantors festlegt. Dazu gehörten auch die Besoldung der Organisten und die Verantwortlichkeit für die Orgel. Ein Jahrhundert später stoßen wir in den Archiven öfters auf den Betrag für denjenigen, „de uppe unsen orghelen singhet unde de pustere daruppe tredet“. Die erste gesicherte Erwähnung einer Orgel im Dom stammt aus dem Bremer Urkundenbuch vom 23. Juni 1350. Um 1528 erhielt der Dom eine neue Orgel, welche 1569 von Cornelis und Michael Slegel aus Zwolle repariert wurde. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts arbeitete Johann Siborch (Bremen) mehrfach an der Orgel. Diese Orgel hatte bis Ende des 17. Jahrhunderts Bestand, als Arp Schnitger ein neues großes Orgelwerk mit 3 Manualwerken, Pedal und 50 Registern für den Dom baute, das 1698 eingeweiht werden konnte.
1828 modernisierte der Bremer Orgelbauer Otto Biesterfeld nach den Vorstellungen des damaligen Domorganisten Wilhelm Friedrich Riem die Disposition, wobei besonders die höherliegenden Register durch Grundstimmen ersetzt wurden. Weitere zwanzig Jahre später musste die Schnitger-Orgel einem Neubau weichen: Johann Friedrich Schulze (Paulinzella) erbaute 1849 ein neues Instrument mit 59 Registern auf drei Manualen und Pedal bei pneumatischen Trakturen (System Barker). Die Prospektfront in neugotischen Formen war stumm.
Das Oberwerk war schwellbar. Hauptwerk und Unterwerk konnten am Pedal gekoppelt werden. Die Physharmonica (Unterwerk) hatte freischwebende Zungen, ohne Schallbecher. Die Terpodion (Oberwerk) gab in Kombination mit Lieblich Gedact 16', Lieblich Gedact 8' und Harmonica 8' eine Imitation der 1816 von dem Hamburger David Buschmann erfundene Terpodion: ein Instrument wobei man mittels eines Tastatur hölzerne Klangkörper zum Klingen bringen konnte.
1889 begannen Bauarbeiten an der Westmauer des Domes. Die Witterung hatte zuweilen freies Spiel in der Orgel. Zudem griff der Holzwurm an: Wilhelm Sauer schrieb in seinem Kostenanschlag, dass die Orgel fast ganz zerfressen sei.
Schließlich kam es zum Neubau der Domorgel durch Wilhelm Sauer aus Frankfurt/Oder unter Verwendung des Schulze-Prospektes und des Contrabass 32' von 1849.
Am 10. November 1893 legte Sauer einen Kostenanschlag für eine dreimanualige Orgel mit 63 Registern vor. Am 12. Januar des folgenden Jahres wurde der Vertrag vom Stifter der Orgel, dem Konsul und Bauherrn Johann Anton Adami, und Wilhelm Sauer unterzeichnet. Die Fertigstellung des Instrumentes mit mechanischen Kegelladen und pneumatischer Ansteuerung wurde auf den 1. November 1894 festgesetzt. Am 2. Dezember 1894 fand die Einweihung der Orgel als Wilhelm Sauer Opus 951 durch Domorganist Eduard Nößler statt. Die Orgel blieb nicht lange unverändert. 1905 wurde die Orgel um ein viertes Manual erweitert, der Gesamtregisterbestand erhöhte sich damit auf 70 klingende Stimmen. Der in diesem Zusammenhang neue viermanualige Spieltisch wurde auf die Mitte der Orgelempore verlegt. Eine Dispositionsänderung 1925/26 unter dem Einfluss der aufbrechenden Orgelbewegung gipfelte 1939 anlässlich des 26. Bachfestes in einem großen Umbau der Orgel (beide Arbeiten durch Orgelbau Sauer). Der Registerbestand wurde seinerzeit auf insgesamt 98 Register vergrößert. Das alte Pfeifenmaterial blieb weitgehend erhalten, allerdings ist bezeichnend, dass fast der gesamte Streicherchor beseitigt wurde. Die zusätzlich disponierten Stimmen wurden zum Teil auf pneumatische Taschenladen gestellt.
Nach den Beschädigungen im Zweiten Weltkrieg wurde das Instrument 1958 abermals entscheidend durch E. F. Walcker (Ludwigsburg) verändert. Es erhielt eine elektrische Traktur, in einigen Positionen eine wiederum veränderte Disposition und statt des schönen neogotischen Gehäuses einen phantasielosen Freipfeifenprospekt. Der Unterbau des Gehäuses von 1849 blieb erhalten, die Pfeiler zwischen den Pfeifenfeldern verschwanden hinter einer Sperrholzverkleidung.
Der Beginn der Planung für eine Restaurierung der Sauer-Orgel reicht bis zum Anfang der 1980er Jahre zurück. Nach vielen teilweise sehr kontrovers geführten Diskussionen erhielt die Firma Christian Scheffler (Frankfurt/Oder) den Auftrag für eine Restaurierung, Rekonstruktion und Erweiterung. Man einigte sich 1993 auf folgendes Konzept: Restaurierung der Sauer-Orgel als viermanualiges elektropneumatisches Instrument mit Wiederherstellung der Originaldisposition, einigen Erweiterungen im Sinne des Erbauers und Übernahme von einigen Registern aus den zwanziger und dreißiger Jahren. Die Zahl der klingenden Stimmen beträgt heute 98, mit Glockenspiel und Pedaltransmission 100. Der innere Aufbau der Orgel erhielt die für Sauer typische Ordnung zurück, alle Pfeifen stehen nunmehr auf pneumatischen Kegelladen, die Umschaltung von Elektrik auf Pneumatik (kurz hinter dem Spieltisch) ist mit einem pneumatischen Dämpfungsglied realisiert. Beim Bau des neuen elektrischen Spieltisches wurde in Funktion und Gestaltung nach dem Sauerschen Original gearbeitet. Das neugotische Gehäuse der Vorgänger-Orgel wurde oberhalb des vorhandenen Chorpodestes rekonstruiert. Die Restaurierung konnte im Herbst 1996 abgeschlossen werden.
Der nach Sauer gestaltete Spieltisch steht frei auf der Empore und ist fahrbar. Auf der linken Spieltischseite sind die Registerwippen für Hauptwerk (1. Manual) und Pedal in vier Reihen angeordnet; auf der rechten Seite finden sich entsprechend die Wippen für die Register des 2. und 3. Manuals. Die 9 Wippschalter für das 4. Manual liegen - durch die Crescendouhr in der Mitte geteilt - über der vierten Manualklaviatur. Die Spielhilfen sind über weiße Druckknöpfe unter dem ersten Manual sowie per Fußtritte zu bedienen. Die Bedienungselemente der elektronischen Setzeranlage sind dezent in die Seiten neben dem Untermanual integriert und können verdeckt werden. Wenngleich der Spieltisch somit nicht „Original Sauer“ ist, kommt er in seiner Gestalt den Sauerschen Vorbildern doch sehr nahe. Die Stimmen des 2. Manualwerks sind bis a4 ausgebaut.
Zusammen mit der guten Domakustik und der hervorragenden Intonation von Matthias Ullmann aus der Werkstatt Christian Schefflers hat der Bremer Dom nun ein einmaliges, außergewöhnlich klangschönes und vielseitiges Instrument, das v. a. der Musik der deutschen Romantik ein ideales Medium zu sein scheint.
I. Manual C – a³ |
II. Manual C – a³ |
III. Manual (SW) C – a³ |
1 IV. z. I. Manual 2 III. u. I. Manual 3 Bombarde 16’ 4 Trompet 8’ 5 Principal 16’ 6 Bordun 16’ 7 Prästant 8’ 8 Doppelfl. 8’ 9 Gamba 8’ 10 Pr. amab. 8’ 11 Flûte 8’ 12 Quintatön 8’ 13 Gemsh. 8’ 14 Gedackt 8’ 15 Super II. z. I. Manual |
89 Gedackt 8’ 90 Spitzfloete 8’ 91 Salicional 8’ 92 Floete 8’ 93 Principal 8’ 94 Bordun 16’ 95 Salicional 16’ 96 Fagott 16’ 97 Tuba 8’ 98 Clarinette 8’ 99 III. z. II. Manual 100 IV. z. II. Manual 101 Salicional 4’ 102 Fl. dolce 4’ 103 Nachthorn 4’ |
65 Aeoline 8’ 66 Zartfloete 8’ 67 Gedackt 8’ 68 Quintatön 8’ 69 Concertfl. 8’ 70 Schalmei 8’ 71 Principal 8’ 72 Gedackt 16’ 73 Gamba 16’ 74 Oboe 8’ 75 Trompet 8’ 76 Krummh. 8’ 77 V. céleste 8’ 78 Traversfl. 4’ 79 Viola 4’ |
16 II. z. I. Manual 17 Clarine 4’ 18 Scharff 5fach 19 Mixtur 3-5fach 20 Cornett 3-4fach 21 Rauschqu. 22/3’ 2’ 22 Octave 2’ 23 Fl. Floete 2’ 24 Rohrqu. 22/3’ 25 Octave 4’ 26 Violini 4’ 27 Rohrfl. 4’ 28 Gemsh. 4’ |
104 Octave 4’ 105 Quinte 22/3’ 106 Rohrfl. 2’ 107 Piccolo 2’ 108 Quinte 11/3’ 109 Siffloete 1’ 110 Rauschqu. 2fach 111 Cornett 3fach 112 Mixtur 3fach 113 Cymbel 3fach |
80 Praestant 4’ 81 Nasat 22/3’ 82 Nachthorn 2’ 83 Piccolo 2’ 84 Harm. aeth. 3fach 85 Sesquialt. 2fach 86 Mixtur 4fach 87 Glocken 88 IV. z. III. Manual |
IV. Manual (SW) C – a³ |
Pedal |
C – f¹ |
56 Quintatön 16’ 57 Undamaris 8’ 58 Gemsh. 8’ 59 Rohrfl. 8’ 60 Traversfl. 4’ 61 Fugara 4’ 62 Flautino 2’ 63 Vox humana 8’ 64 Tremulant IV. Man. |
29 Posaune 32’ 30 Posaune 16’ 31 Fagott 16’ 32 Contrabaß 32’ 33 Quintbaß 102/3’ 34 Principal 16’ 35 Violon 16’ 36 Subbaß 16’ 37 Salicetbaß 16’ 38 Echobaß [Tr. aus III] 16’ 39 Offenbaß 8’ 40 Cello 8’ 41 Baßflöte 8’ 42 Dulciana 8’ |
43 Superk. Pedal 44 IV. Man. z. Ped. 45 III. Man. z. Ped. 46 II. Man. z. Ped. 47 I. Man. z. Ped. 48 Engl. Horn 4’ 49 Clarine 4’ 50 Trompete 8’ 51 Mixtur 4fach 52 Terz 31/5’ 53 Quinte 51/3’ 54 Octave 4’ 55 Fl. dolce 4’ |
Spielhilfen |
Feste Kombinationen: p, mf, f, Zutti 256fache Setzeranlage (I-IV, 1-8, A-H, abschließbar) Sequenzer Crescendowalze (mit Walze ab, HR ab, Koppeln aus der Walze) Tuttikoppel Tutti Rohrwerke, Rohrwerke ab, Manual 16´ ab als Drücker Zungen-Einzelabsteller 3 Schwelltritte für III. und IV. Manual und Vox humana |
Uwe Pape und Winfried Topp, Orgeln und Orgelbauer in Bremen, Berlin ²1998, S. 85-128
Uwe Pape (Hg.), Die Orgeln im St. Petri Dom zu Bremen, Berlin 2002, S. 38-109
© Gabriel Isenberg, 2010
www.orgelsammlung.de
© Dr. Gabriel Isenberg, 2023