Marktstraße • D-49393 Lohne
Die Lohner Kirche wird erstmals 1221 urkundlich bezeugt und gehört damit zu den ältesten Kirchengründungen im oldenburgischen Dersagau. Angeblich wurde aber bereits um 800 eine erste Kirche in Lohne errichtet. Eine Steinkirche aus dem 11. Jahrhundert wurde 1609 erweitert. Seit 1438 ist die Heilige Gertrud als Kirchepatronin bekannt. Die jetzige Kirche wurde 1815/18 von August Reinking (Steinfurt) als klassizistische Wandpfeilerkirche mit neugotischer Chorapsis erbaut. Der anfänglich von der Vorgängerkirche übernommene Turm wurde 1835/37 durch eien Neubau ersetzt. Die Chorapsis ist ein Anbau von 1891/92.
In der erweiterten Kirche fand 1609 auch eine Orgel Aufstellung, die eventuell aus dem Süsternhaus in Vechta stammte. Möglicherweise wurde das Instrument im Dreißigjährigen Krieg zerstört; 1687 erhielt die Kirche eine neue Orgel mit 7 Stimmen.
In den 1720er Jahren mehrten sich Forderungen zu einer Reparatur der schadhaften Orgel. Zumindest bis Mitte des Jahrhunderts wurde diese aber nicht durchgeführt. Vielleicht hat Anton Franz Schmid (Quakenbrück), der Ende des 18. Jahrhunderts auch die Pflege des Instruments übernahm, eine solche größere Renovierung durchgeführt.
Nach längeren Verhandlungen stellte Schmid 1823 in der neuen St.-Gertrud-Kirche eine neue Orgel mit 24 Registern auf zwei Manualen und Pedal auf. Nachdem diese Orgel 1874 nach einem Gutachten angeblich nicht zu reparieren gewesen sei, lieferte Friedrich Fleiter (Münster) 1877/78 ein neues Instrument mit 30 Registern auf zwei Manualen und Pedal (Schleifladen). Das neoromanische Gehäuse schuf der in Münster ansässige Kunsttischlermeister Bernhard Rincklake. Der Prospekt war mit Betonung der Mittelachse fünfteilig gegliedert. In den Grundzügen handelte es sich um eine noch klassische Gestaltung, obwohl auf Grund anders gewählter Proportionen die Anordnung der Prospektpfeifen keinen Rückschluß auf das Orgelinnere mehr zuließ. Bei der Abnahme der Orgel wurden besonders die fünf Zungenstimmen und die imposante Gesamtwirkung gelobt.
Im Kriegsjahr 1917 mussten die Zinnpfeifen des Prospekts abgeliefert werden. 1933 nahm der Orgelbauer Otto Ritter (Goldenstedt) geringfügige klangliche Veränderungen am Instrument vor. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg führte Ritter 1948 einen gravierenden Umbau durch, indem er die Traktur elektrifizierte. Ferner erweiterte er die Orgel um ein Brüstungspositivgehäuse mit acht Stimmen. Zuvor war die Empore durch den Tischlermeister Heinrich Sieve-Leferding vergrößert worden. Von ihm stammte auch das Rückpositivgehäuse. Das ornamentale Programm des Hauptgehäuses wurde nur teilweise bzw. stärker abstrahiert übernommen.
Die Lübecker Orgelbaufirma Emanuel Kemper & Sohn lieferte 1956 einen neuen Spieltisch. 1958 nahm der Orgelbauer Herbert Kruse (Lohne) einen weiteren Umbau der Orgel vor. Er ersetzte die alten, durch Ritter elektrifizierten Schleifladen aus Eichenholz durch Taschenladen aus Brasilkiefernholz. Kruse beseitigte außerdem den gesamten oberen Teil des Gehäuses im Bereich der Prospektpfeifen, um eine 16füßige Freipfeifenfassade zu errichten. In den darauffolgenden Jahren mehrten sich technische und klangliche Mängel an der Orgel, so dass die Orgelwerkstatt Alfred Führer (Wilhelmshaven) 1968 und 1975 Reparaturen an dem Instrument vorzunehmen hatte. Im letzten Fall erhielt das Pedalwerk drei neue Zungenstimmen (16’, 8’, 4’).
Schließlich erhielt die Lohner Pfarrkirche 1985 eine neue Orgel aus der Orgelbauwerkstatt von Christian Lobback (Neuendeich bei Hamburg). Es bestand der Wunsch, die erhalten gebliebenen Gehäuseteile in das neue Gehäuse zu integrieren. Die neue Disposition mit 50 Registern auf drei Manualen und Pedal musste darauf ausgerichtet werden. Haupt- und Pedalwerk verfügen jeweils über einen offenen 16’ im Prospekt. Ebenso wurde als erstes Manual ein Rückpositiv mit offenem 8’ realisiert. Dazu diente als Vorlage das von Rincklake geschaffene Gehäuse. Der Spieltisch ist frei zwischen Hauptgehäuse und Rückpositiv aufgestellt und mit dem Pfeifenwerk über mechanische Spiel- und elektrische Registertrakturen verbunden. Einige Koppeln im Spieltisch sind elektrisch gebaut. Die Windladen sind als Schleifladen konstruiert. Die Registerwippen sind im Spieltisch links neben den Manualen angelegt. Die Setzeranlage wird über die Druckknöpfe (unter dem ersten Manual) oder die Fußpistons mit den Kombinationen A bis H bedient. Die 8 Gruppen werden über einen Drehschalter bei den Registerwippen bedient; eine Digitalanzeige über dem dritten Manual zeigt die aktuelle Gruppe an.
Die Einweihung fand am Christkönigsfest, dem 24. November 1985 mit Weihbischof und Offizial Dr. Max Georg Freiherr von Twickel statt.
Sowohl optisch als auch klanglich kann das Lohner Instrument als sehr gelungen bezeichnet werden. Die von Christian Lobback und Bernadette Bosbach aufgestellte Disposition ist sehr vielseitig und bietet in ihrer ausgewogenen Intonation unzählige Schattierungsmöglichkeiten und kann den Kirchenraum gleichfalls gut füllen.
I. Rückpositiv C – g³ |
II. Hauptwerk C – g³ |
III. Schwellwerk C – g³ |
32 Prinzipal 8’ 33 Rohrflöte 8’ 34 Quintade 8’ 35 Prinzipal 4’ 36 Koppelflöte 4’ 37 Gemshorn 2’ 38 Sesquialter II 22/3’+13/5’ 39 Quinte 11/3’ 40 Scharff IV 1’ |
18 Prinzipal 16’ 19 Oktave 8’ 20 Spitzflöte 8’ 21 Oktave 4’ 22 Hohlflöte 4’ 23 Quinte 22/3’ 24 Prinzipal 2’ 25 Kornett V 8’ 26 Mixtur VI 1’ |
1 Bordun 16’ 2 Prinzipal 8’ 3 Flûte harm. 8’ 4 Gamba 8’ 5 Schwebung 8’ 6 Prinzipal 4’ 7 Querflöte 4’ 8 Nasard 22/3’ 9 Waldflöte 2’ |
41 Dulzian 16’ 42 Cromorne 8’ 43 Tremulant 44 III - I |
27 Zimbel III 1/2’ 28 Trompete 16’ 29 Trompete 8’ 30 III - II 31 I - II |
10 Terz 13/5’ 11 Oktave 1’ 12 Mixtur V 22/3’ 13 Basson 16’ 14 Trompette harm. 8’ 15 Hautbois 8’ 16 Clairon 4’ 17 Tremulant |
Pedal |
C – f¹ |
Spielhilfen |
45 Prinzipal 16’ 46 Subbaß 16’ 47 Quinte 102/3’ 48 Oktave 8’ 49 Bartpfeife 8’ 50 Choralbaß 4’ 51 Traverse 2’ |
52 Rauschpfeife V 22/3’ 53 Posaune 16’ 54 Trompete 8’ 55 Clairon 4’ 56 III - P 57 II - P 58 I - P |
64facher Setzer (8 Gruppen, Setzer A bis H), abschließbar Nulltaster Geschwindigkeitsregler für die Tremulanten |
© Gabriel Isenberg, 2009
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