Karlshorst, ev. Kirche Zur frohen Botschaft

Weseler Straße • D-10319 Berlin


1895 wurde die Kolonie Karlshorst Berlin gegründet, 1906 bildete sich dort eine eigene evangelische Kirchengemeinde. Ihre Kirche, die keinen gesonderten Namen erhalten hatte, wurde am 8. Mai 1910 in Anwesenheit „Seiner Königlichen Hoheit“ August Wilhelm Prinz von Preußen eingeweiht. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges wurde das Gotteshaus schwer beschädigt und konnte danach nicht wieder hergerichtet werden, weil das Kirchengelände auf dem Territorium lag, das die Sowjetische Armee als Standort für ihre Militäradministration in Deutschland abgesperrt hatte. Das Haus diente nun als Speicher und Pferdestall, wurde aber nicht mutwillig zerstört. Als die deutsche Kirchengemeinde 1955 die Kirchengebäude zurück erhielt, wurden diese mit viel privatem Engagement wieder hergerichtet. Am 15. Juni 1956 konnte Bischof Otto Dibelius die Kirche wieder weihen, sie erhielt nun den Namen „Zur frohen Botschaft“. Umfassende Sanierungsarbeiten erfolgten in den Jahren 1991-94.

Die musikbegeisterte Prinzessin Anna Amalie von Preußen (Schwester Friedrichs des Großen) begann im Jahr 1755 mit Überlegungen zum Bau einer eigenen Hausorgel. Der Musiktheoretiker und Bach-Schüler Johann Philipp Kirnberger wurde von ihr zur Konzeption der neuen Orgel beauftragt. Es ist jedoch bis heute nicht geklärt, mit wem der Orgelbauvertrag geschlossen wurde. Als sehr wahrscheinlich scheint es allerdings, dass der Berliner Orgelbauer Peter Migendt den Auftrag zum Neubau erhielt, während die Ausführung in den Händen des angehenden Orgelbaumeisters Ernst Marx lag – womöglich als sein Meisterstück. Anfang Januar 1756 konnte die neue Orgel im Musiksaal im zweiten Stock des Lustgartenflügels des Berliner Schlosses eingeweiht werden. Nach 1764 zog die Prinzessin in das Palais Unter den Linden 7 um und nahm dabei ihre Orgel (wahrscheinlich 1767) mit, die Umsetzung nahm vermulich Ernst Marx vor. Zu dieser Zeit nahm das Palais Unter den Linden 7 mit seiner Orgel einen bedeutenden Platz im Berliner Musikleben ein, Musiker aus aller Welt kamen hier zu Konzerten und anderen Gelegenheiten zusammen.

1772 erwarb die Prinzessin das ehemalige Palais des Baron de Vernezobre, in dem sie 1776 von Ernst Marx eine neue Orgel mit 28 Registern errichten ließ, so dass die alte Orgel in den folgenden Jahren stark vernachlässigt wurde und zusehends verfiel. 1787 verstarb die Prinzessin Anna Amalie von Preußen. Der Erbe Prinz Ludwig von Preußen verschenkte die Orgel 1788 an die Schlosskirche in Berlin-Buch, eine der schönsten Barockkirchen Berlins, die für das neue Instrument allerdings erheblich umgebaut werden musste.

Bis Anfang des 20. Jahrhunderts blieb die Orgel unbeschadet, sogar die originalen Prospektpfeifen wurden im Ersten Weltkrieg nicht beschlagnahmt, da man den historischen Wert des Instrumentes erkannte! Kleinere Reparaturen fanden 1924 bis 1926 statt. Im Rahmen der Restaurierung der Bucher Schlosskirche kam man in den 1930er Jahren zu der Erkenntnis, dass die Orgel in ihren Ausmaßen und ihrer Klangstärke nicht zu der kleinen Schlosskirche passe und Orgelbauer Hans Joachim Schuke riet 1934 in einem Gutachten die Umstellung der Orgel in einen größeren Raum. So verkaufte man 1938 die Orgel an den Gemeindekirchenrat von St. Marien und St. Nikolai in Berlin, um sie nach erfolgter Restaurierung in St. Nikolai als zweite Orgel aufzustellen. Doch durch die Wirren des Zweiten Weltkrieges kamen die angelaufenen Planungen zum Stillstand, so dass einige Teile (Gehäuse und Prospektpfeifen) im Keller der „Berliner Münze“, später in der Sakristei von St. Marien lagerten, ein Großteil der Pfeifen wurde in der Werkstatt Schuke in Potsdam aufbewahrt.

Da die Berliner Nikolai-Kirche bei Kriegsende bis auf die Umfassungsmauern zerstört war, verschenkte man 1956 die Orgel an die 1909-10 erbaute und nach dem Krieg wiederhergestellte Kirche „Zur frohen Botschaft“ (vor dem Krieg stand hier eine pneumatische Orgel der Firma Sauer, II+P/32, mit geteiltem Prospekt und brückenartigem Zwischenbau). Dort wurde das historische Schmuckstück von der Potsdamer Firma Alexander Schuke aufgestellt und restauriert. War bis jetzt die ursprüngliche Disposition unangetastet geblieben, so nahm man bei der Wiederherstellung fälschlicherweise an, die originale Disposition hätte mehr Zungenstimmen enthalten müssen, so dass man einige Register durch solche ersetzte. Die als Gabelkoppel erhalten gebliebene Manualkoppel wurde wiederverwendet, eine Pedalkoppel (I-P, bei eingeschalteter Manualkoppel zusätzlich II-P) wurde neu angelegt. Die Ventil-Züge wurden stillgelegt. Die Spieltrakturen wurden zum größten Teil erneuert, ebenso die Windversorgung. Die alte Temperierung wurde nicht übernommen (heute gleichschwebend). Am 19. Juni 1960 fand die Wiedereinweihung der Orgel statt, die als das älteste in wesentlichen Teilen erhaltene Orgelwerk in Berlin gelten kann.

Die ehemalige Konzert- bzw. Hausorgel der Prinzessin Anna Amalie von Preußen (von ihren heutigen Organisten liebevoll „Malchen“ genannt) ist dank ihrer Restaurierung ein überzeugendes Werk der hohen Kunst des Berliner Orgelbaus im 18. Jahrhundert und ein wichtiges Zeitdokument einer bereits wieder als historisch zu bezeichnenden Form der Restaurierung.

Die jüngste Restaurierung führte Christian Wegscheider 2009/10 durch. Die folgende Orgelbeschreibung bezieht sich auf den Zustand vor diesen Arbeiten.

Der größtenteils erhalten gebliebene Spielschrank ist mit zwei Flügeltüren zu verschließen. Die Registerzüge sind untereinander in jeweils drei gegeneinander versetzten Reihen links und rechts neben Manualen und Notenpult angebracht. Die Pedalregister liegen jeweils außen, die Hauptwerksregister in der Mitte und die Oberwerks-Register innen. Über den Registerzügen sind noch die originalen Registerbezeichnungen zu lesen, die in der unten stehenden Dispositionsauflistung unter „alt“ abgedruckt sind. Die durch Schuke veränderte Disposition ist in heutiger Schreibweise an den Innenseiten der Flügeltüren angebracht und steht nachfolgend unter „neu“.

Disposition

I. Hauptwerk                                                          C – f³

II. Oberwerk                                                           C – f³

alt:                                          neu:

5 Principa.          8fus      Prinzipal                          8’

6 Bord- Dis.        16f.      Bordun disc.              16’

7 Ror-Flöt.              8f.      Rohrflöte                        8’

8 Quinta                  3f.      Quinte                      22/3’

9 Mixtur-4fach.               Mixtur 4fach

20 Viol-di Gam       8      Viola da Gamba          8’

alt:                                          neu:

10 Princip.             4f.      Prinzipal                          4’

11 Gedat.               8f.      Gedackt                           8’

12 Nassa.                 3f.      Nasat                          22/3’

13 Sus. Flöt           1f.      Sifflöte                              1’

14 Vent. oben.               tacet

15 Quint-Dö.        8f.      Quintadena                   8’

21 Bord-Bas        16f.      Bordun Baß                16’

22 Octav.                4f.      Oktave                              4’

23 Octav.                2f.      Oktave                              2’

24 Flöt-Dus.          8f.      Trompete                       8’

16 Gedat.               4f.      Gedackt                           4’

17 Walt-Flö.          2f.      WaldFlöte                      2’

18 Salice.                8f.      Vox humana                  8’

19 Tremulant                   Tremulant

 

Pedal

                                                                                       C – d¹

alt:                                          neu:

1 Sub-Bas             16f.      Subbaß                          16’

2 Octav.                   4f.      Oktave                              4’

3 Bas-Flöt.              8f.      Trompete                       8’

4 Vent. Manu.                 tacet                               32’

alt:                                          neu:

25 Octav.                8f.      Oktave                              8’

26 Posaun.          16f.      Posaune                        16’

27 Vent-Ped.                    Pedalkoppel

28 Coppell.                       Manualkoppel

  © Gabriel Isenberg, 1999 / 2009