Orgel von Gebr. Oberlinger (Windesheim), 1970/94.
Die neugotische Pfarrkirche St. Martin in Netphen, erbaut 1893/95 nach den Plänen des Architekten Gerhard August Fischer, erhielt 1898 ihre erste Orgel aus der Orgelbauwerkstatt von Franz Eggert in Paderborn. Das 19 Register umfassende Instrument wurde am 6. Februar 1898 eingeweiht und umfasste 19 Register auf zwei Manualen und Pedal bei pneumatischen Kegelladen. Der Spieltisch stand frei vor der Orgel mit Blick des Organisten ins Kirchenschiff. Im Ersten Weltkrieg mussten 1917 die Prospektpfeifen für die Rüstungsindustrie abgegeben werden. 1928 erhielt die Orgel einen elektrischen Gebläsemotor, der durch den Orgelbauer Heinrich Höhmann (Ronsdorf) eingebaut wurde. 1938 fügte Ernst Tennstädt (Lippstadt) im Rahmen einer Reinigung und Überholung das Register Aeoline 8' im II. Manual als weiteres Register hinzu. Eine weitere Instandsetzung erfolgte 1961 durch Bruno R. Döring (Neukirchen), bevor die Orgel 1966 entfernt wurde.
Die heutige Orgel geht auf einen Neubau durch die Fa. Gebr. Oberlinger (Windesheim) im Jahr 1970 zurück. Das zweimanualige Instrument umfasst eine Disposition von 25 Registern nach einem Entwurf von KMD Hans Königsfeld (Siegen). Das moderne, von Dipl.-Ing. Lothar Willius entworfene, in vier Prospektfelder und Brustschwellwerk gegliederte Gehäuse stand in der rechten Ecke der großen Westempore. Vom Einweihungskonzert der Orgel anlässlich der 75-Jahr-Feier der Pfarrkirche am 3. Adventssonntag, den 15. Dezember 1970, wurde auch eine Schallplattenaufnahme herausgegeben, auf der der Trierer Domkapellmeister Rudolf Heinemann die Orgel spielte.
1994 erfolgte eine komplette Umgestaltung der Orgel durch die Erbauerfirma Gebr. Oberlinger. Das ursprüngliche Gehäuse wurde durch einen neuen, dem neugotischen Stil der Kirche angepassten Prospekt ersetzt. Im linken Gehäuseteil ist das Hauptwerk (Prospekt: Prinzipal 8') untergebracht, im Mittelteil das Schwellwerk (Prospekt: Prinzipal 4' nicht schwellbar), darunter die Spielanlage, und im rechten Teil das Pedalwerk (Prospekt: Prinzipalbaß 8'). Das Schwellwerk erhielt nun die Register Salicional und Vox coelesteis anstelle der bisherigen Weidenpfeife 8', im Pedal kam Clarine 4' an die Stelle von Nachthorn 2'. Die ursprünglich gemischten Trakturen (Registertraktur elektrisch, Spieltraktur mechanisch) wurden nun komplett mechanisch ausgeführt. Am 25. September 1994 erfolgte die Einweihung des erneuerten Instruments.
Ende 1996 baute die Fa. Oberlinger ein Setzersystem ein, das an den mechanischen Zügen im Spieltisch ansetzt; Anfang 1998 musste dieses durch eine neue Anlage ersetzt werden. Im Spieltisch sind die Registerzüge in jeweils zwei senkrechten Reihen neben dem Notenpult angeordnet: links Koppelzüge (außen) und Hauptwerk (innen), rechts Schwellwerk (innen) und Pedal (außen). Unter den Zügen der Pedalregister sind zwei Holzschalter für die Sequenzer. Unter dem 1. Manual sind ebenfalls als Holzschalter die Tasten für die Setzeranlage (S – Registerfessel – T – A bis H – Sequenzer – 1 bis 8 – 0 für Auslöser) positioniert. Unter den Koppelzügen auf der linken Seite ist ein Drehschalter für die zehn Ebenen der Setzeranlage angebracht; die gleiche Anzahl Setzerkombinationen ist nochmals abschließbar vorhanden. Über den Pedalen sind die korrespondierenden Fußtritte für die Koppeln und rechts vom Kippschweller zwei Tritte für die Sequenzer vorhanden.
I. HAUPTWERK | C–g³
Gedacktpommer 16'
Principal 8'
Rohrflöte 8'
Octave 4'
Spitzflöte 4'
Nasard 2 2/3'
Superoctave 2'
Mixtur 3f. 1 1/3'
Trompete 8'
Koppel II–I
II. SCHWELLWERK | C–g³
Copula 8'
Salicional 8'
Vox coelestis 8'
Principal 4'
Koppelflöte 4'
Waldflöte 2'
Octave 1'
Sesquialter 2f.
Cymbel 4f. 1'
Krummhorn 8'
Tremulant SW
PEDAL | C–f¹
Subbaß 16'
Principalbaß 8'
Gedacktbaß 8'
Choralbaß 4'
Rauschpfeife 4f. 2 2/3'
Posaune 16'
Clarine 4'
Koppel II–P
Koppel I–P
Setzeranlage (1280 Kombinationen, mit Schlüssel), mit Sequenzer, Registerfessel, programmierbarem Tutti und Auslöser.
Mechanische Schleiflade, Doppelregistratur für den elektrisch eingreifenden Setzer.
D-57250 Netphen | Seitenweg 3
Quellen und Literatur: Hermann J. Busch, Die Orgeln des Kreises Siegen, Berlin 1974, S. 114f ⋄ Gabriel Isenberg, Orgellandschaft im Wandel, Phil. Diss, Dresden 2017, S. 198f
⋄ LP „Gotteslob in Netphen“ 1970 ⋄ Eigener Befund.
Nr. 42 | Diese Orgel habe ich zum ersten Mal am 04.08.1998 gespielt, danach mehrfach in Gottesdiensten (u. a. Rundfunkgottesdienst) und Konzerten, während meiner Zivildienstzeit
auch als Übungsorgel.
© Dr. Gabriel Isenberg | Letzte Änderung: 07.12.2024.
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