Orgel von Manufacture d'orgues Thomas (Ster-Francorchamps), 1997–2002, nach dem Vorbild der Orgel von Jean-Baptiste Le Picard (Liège), 1750–53.
Der Bau der Basilika im belgischen Tongeren begann im 13. Jahrhundert und zog sich über drei Jahrhunderte hin. Dabei orientierte man sich an den großen gotischen Kirchen in Liège, die damals für das Fürstbistum Liège maßgeblich waren.
Die früheste Nachricht über einen Orgelbauer in der Kirche betrifft Jacobus Flamingus aus Köln, der im Jahr 1388 die Chororgel reparierte. In den Jahren 1428–31 wurde diese Orgel durch Magister Theodorus aus Maastricht erneuert. Ein großer Umbau durch Jan van Gemert (Antwerpen) schloss sich 1480/81 an. 1528–31 führte der Orgelbauer Peter Briesger aus Koblenz einen großen Umbau mit Teilerneuerung aus. Dabei wurde das Instrument vom nördlichen Querschiff auf den Westlettner versetzt und von einer Blockwerkorgel zu einem registrierbaren Instrument umgebaut. Das Gehäuse blieb erhalten.
Matthijs Langhedul (Brüssel) fügte der Orgel 1617/18 ein Rückpositiv hinzu, das Hauptwerk wurde 1639 durch Andries Severijn (Liège) erweitert. Der verheerende Stadtbrand 1677, der auch die Kirche stark beschädigte, vernichtete die große Orgel komplett. Die 1522 erstmals erwähnte Chororgel, die den Brand überstand, blieb bis zum Abbruch des Chorlettners 1751 in der Kirche, und wurde dann an die inzwischen verschwundene St.-Niklaas-Kirche in Tongeren verkauft.
Erst 1750 schloss das Kapitel mit Jean-Baptiste Le Picard aus Liège einen Vertrag für den Bau einer neuen großen Orgel in der Kirche, deren Wiederaufbau bereits 1691 vollendet worden war. Das 49 Register große Instrument mit vier Manualen und Pedal in vier Jahren Bauzeit nach dem Vorbild der großen Le-Picard-Orgel von Saint-Pierre in Liège und war im Sommer 1753 fertiggestellt. Das reich dekorierte Gehäuse erhielt 1780 eine Bekrönung durch eine Figurengruppe aus dem früheren Barockaltar, ergänzt durch Engelsfiguren. Während der französischen Besetzung wurde das Kircheninventar öffentlich versteigert, darunter auch die Orgel. Glücklicherweise gelangte die Orgel 1798 in den Besitz zweier Bürger, die sie nach Ende der Besetzung an die Kirche zurückgaben.
Der Orgelbauer François-Joseph Rifflart (Huy) veränderte 1826 die Stimmtonhöhe und legte eine wohltemperierte Stimmung. Nachdem die Orgel 1859–64 durch die Firma Merklin & Schütze (Brüssel) renoviert worden war, baute sie die Werkstatt Gebr. Müller (Reifferscheidt) 1869 im „romantischen Stil“ um. Lediglich die Windlade des Echowerks wurde wiederverwendet. Der Umbau zog sich über längere Zeit hin und wurde 1879–82 durch Charles Anneessens (Menen) vollendet. Die Veränderungen waren erheblich, wobei Gutachten in den 1930er Jahren (nachdem die Kirche 1931 durch Papst Pius XI. zu Basilika erhoben war) zeigten, dass eine beachtliche Anzahl der originalen Pfeifen noch erhalten war. Bei der Renovierung der Orgel in den Jahren 1944–48 durch die Fa. Verschueren (Tongeren/Heythuysen) wurde das Konzept einer neobarocken Orgel angesteuert, die möglichst viele Musikstile zulassen sollte. Der Prospekt blieb dabei erhalten, während das Orgelwerk in offener Aufstellung dahinter fand. Die alte Spielanlage musste einem neuen Spieltisch weichen, und eine neue elektropneumatische Traktur wurde eingebaut. Durch diese Maßnahme ging eine große Anzahl originaler Teile verloren. Émile Verschueren (Tongeren) überholte die Orgel 1958, wobei er sie auch erweiterte und neuintonierte. 1972 folgte unter Beratung durch Flor Peeters abermals eine technische Überholung samt Intonation.
Auf Initiative des Titularorganisten Luc Ponet setzten 1982 Planungen für eine Rekonstruktion der Le-Picard-Orgel ein. Die Manufacture d’orgues Thomas (Ster-Francorchamps) führte die Arbeiten durch, die nach fünf Jahren Bauzeit im Jahr 2002 abgeschlossen werden konnten. Abgesehen vom Prospekt, den Prospektpfeifen und einigen Holzpfeifen wurden alle Teile neu gefertigt. Das Konzept von Le Picard wurde ergänzt durch ein selbständiges Pedal mit eigener Windversorgung, das hinter dem Gehäuse Platz fand.
Die Spielanlage ist in das Untergehäuse zwischen Hauptorgel und Rückpositiv eingebaut. Die Registerzüge befinden sich – nach Registergruppen geordnet – links und rechts neben Notenpult und Manualen. Entsprechend der Anlage von Le Picard beginnt das Echo erst bei c°, das Récit bei c¹. Die Windversorgung erfolgt über vier Keilbälge mit fünf einwärtsgehenden Falten für die Manualwerke und einen einfaltigen Keilbalg für das Pedal.
B-3700 Tongeren | Stadhuisplein 10
Quellen und Literatur: Erik van der Heijden, Orgellandschaft zwischen Maas und Rhein, Mettlach 2005, S. 133–137 ⋄ Eigener Befund.
Nr. 247 | Diese Orgel habe ich am 03.08.2005 im Rahmen der GdO-Jahrestagung in Maastricht besucht.
© Dr. Gabriel Isenberg | Letzte Änderung: 23.11.2024.
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