Oelinghausen, Klosterkirche St. Petri

Orgel von Johann Bernhard Klausing (Herford), 1714–17, mit Material von Martin de Mare (Paderborn), 1599.


© Christoph Hanke, 07.08.2003 (mit freundlicher Genehmigung)
© Christoph Hanke, 07.08.2003 (mit freundlicher Genehmigung)

In dem 1174 gegründeten Praemonstratenser-Kloster Oelinghausen bei Arnsberg gab es schon im 14. Jahrhundert eine Orgel: In einer auf den 25. Mai 1390 datierten Urkunde heißt es, dass das Fest der Hl. Lucia jedes Jahr mit Feierlichkeiten und Orgelspiel begangen werden solle. Möglicherweise, so formuliert es der Musikhistoriker Willfried Michel, war der aus Soest stammende Kanonikus Wilhelm de Susato der Erbauer des Instruments gewesen – er hatte wenige Jahre später auch in Brauweiler eine Orgel gebaut.

Diese Schwalbennestorgel mit Blockwerk befand sich oberhalb der Kreuzkapelle. 1492 müssen bereits zwei Orgeln vorhanden gewesen sein, vermutlich ein kleines Positiv für den Konvent und die große Orgel für den Gemeindegesang. Bei der offenbar 1499 erfolgten Erneuerung der Orgel wurden einzeln Register vom Blockwerk getrennt. Sicherlich hat der Propst von Oelinghausen und Orgelbauer Johannes Sundag von 1552 bis 1561 das Instrument betreut. Das Register Oktava 4', welches aus dem Jahr 1555 stammt und bis heute komplett erhalten ist, ist vermutlich auf Sunndag zurückzuführen. Er gab der Orgel auch eine neue Gestalt, wie die Spuren im Mauerwerk zeigen.

Durch die Truppen des Gebhard Truchseß von Waldburg unter ihrem Anführer Martin Schenk, die 1586 Kloster und Kirche überfielen, wurden die beiden vorhandenen Orgeln zerstört. Neben der erwähnten Oktava 4' überstanden auch die noch heute erhaltenen Register Spitzflaute 2', Oktava 2' und Prinzipal 4', die vor 1586 von einem unbekannten Orgelmeister gefertigt worden waren, den Übergriff. Viele weitere Bestandteile der alten Schwalbennestorgel wurden bei archäologischen Untersuchungen auf dem Kirchenboden gefunden. Die Orgel besaß in ihrer letzten Gestalt vor der Zerstörung, wie die Fundstücke belegen, Springladen, zwei Manuale mit Schiebekoppel und einen Praestant 8' im Prospekt.

Im Jahr 1599 stiftete der Paderborner Bischof Theodor von Fürstenberg, der verwandtschaftlich enge Beziehungen zum Oelinghausener Kloster hatte, zwei neue Orgeln. Die große Orgel, die an der Brüstung der Nonnenempore aufgestellt wurde, stammt von Martin de Mare, einem Bremer Orgelbauer, der um die Wende zum 17. Jahrhundert im Paderborner Raum verweilte. Neben den erhaltenen Registern fügte er als neue Stimmen u. a. Praestant 8', die Mixtur (4f.), Bardun 16' und Duesflöt 4' auf Schleifladen hinzu. Die kunstvoll bemalten Flügeltüren, die 1599 vermutlich der Paderborner Maler Augustinus Jodefeld schuf, wurden um 1660 abgenommen und durch seitliche, geschnitzte Ohren ersetzt. Acht der zwölf Gemälde auf Leinen der ehemaligen Orgelflügel sind heute hinter dem Altar auf der Rückseite der Orgel vorhanden.

Zwischen 1599 und 1713 wurden mehrere Arbeiten an der Orgel durchgeführt, die allerdings nicht schriftlich belegt sind. Als Johann Berenhard Klausing aus Herford 1713 mit den Erneuerungs- und Erweiterungsarbeiten an der Orgel begann, wies die Disposition 15 Register auf. Die ursprüngliche Disposition von Martin de Mare lässt sich daraus rekonstruieren: MAN1 Praestant 8’, Bardun 16’, Oktava 4’, Rohrflaute 8’, Flaute Duse 4’, Spitzflaute 2’, Sexquialtera 3f., Mixtur 4f., Cimbal 3f., Trompétt B/D; MAN2 Gedact 8’, Duesflöt 4’, Oktava 2’, Mixtur 3f., Oktava 4’; PED angehängt.

Im Zuge der Barockisierung der Klosterkirche unter Propst Sauter in den Jahren 1712–17 erhielt auch die Orgel eine neue Gestalt. Der Herforder Orgelbauer Johann Bernhard Klausing wurde mit dem Umbau des Instruments beauftragt. Er ersetzte die Schleiflade des Hauptwerkes durch eine Springlade und baute einige neue Register (Cimbal 3f., Flaute Duse 4’, Rohrflöte 8’ und Gedact 8’ sowie zwei Pfeifenreihen von Sexquialter 3f.). Das Obergehäuse wurde barockisiert und um jeweils zwei Felder seitlich erweitert, da der ursprüngliche Tonumfang von 41 Tönen (CDEFGA-g²a²) nun bis c³ erweitert und um die Töne Dis, Fis und Gis ergänzt wurde. Außerdem erhielt die Orgel drei neue Keilbälge. Der Unterbau der Orgel war von dem Umbau nicht betroffen. 1717 konnten die Arbeiten Klausings abgeschlossen werden. In den folgenden rund 120 Jahren bis 1835 sind keine weiteren Arbeiten an der Orgel dokumentiert. Das Holzregal 8’ im Positiv wurde vermutlich bald von Klausing selbst gegen die Oktave 4’ ausgetauscht, die Klausing bereits von Martin de Mare übernommen hatte und die heute im Pedal steht.

Der katastrophale Zustand des Werks nach der Aufhebungs des Klosters 1804 brachte es mit sich, dass sich zahlreiche Orgelbauer mit Umbau- oder Neubauplänen bewarben, die aus fehlenden finanziellen Mitteln nicht zur Ausführung kamen. Hugo Gerstgarbe aus Fredeburg pflegte die Orgel ab 1835 und Bernhard Ahmer aus Soest baute 1844 einen Magazinbalg, den er auf dem Dachboden plazierte. Die alten Keilbälge von Klausing wurden stillgelegt, einer entfernt. Eine Balgreparatur durch Albinus Bott (Warendorf) ist für 1866 belegt.

Durch eine größere Arbeit von Adolph Fischer (Hirschberg) wurde der Spielschrank an die linke Seite versetzt. Fischer baute die Klausing'sche Springlade zur Schleiflade um und transmittierte Bardun 16’ und Prinzipal 8’ ins Pedal. Als weiteres Pedalregister baute er eine Posaune 16’ aus einer unbekannten fremden Orgel ein. Die Hauptwerksmixtur wurde durch eine Gambe ersetzt. In den weiteren Jahren verfiel die Orgel dennoch weiter, und etliche kleinere Eingriffe verhalfen der Orgel kaum zu besserer Funktionalität. Anfang des 19. Jahrhunderts war die Gebläseanlage bereits elektrifiziert.

Die Renovierungsarbeiten der Firma Franz Breil aus Dorsten im Jahr 1963 bedeuteten den schwerwiegendsten Eingriff in den historischen Bestand der Orgel. Mit der Absicht, die Orgel auf den Zustand von 1717 zurückzuversetzen, wurden u. a. die Trompétt von 1599, die Keilbälge von 1717 sowie die umgebaute Springlade entfernt. Die Oktave 4’ von 1586 wurde verstümmelt ins Pedal gestellt, dessen sechs eigene Register nun im alten Balghaus Platz fanden.

Eine Reinigung der Pfeifen, die 1987 durch den Orgelbauer Hans Peter Mebold aus Siegen durchgeführt wurde, ermöglichte erstmals die genaue Dokumentation der historischen Bauschichte des Pfeifenbestands. Dabei wurden über 3000 Tonsignaturen erfasst. Ende der 1980er Jahre wurden einige Register von Willfried Michel (Oelinghausen) und Hans Peter Mebold rekonstruiert und neu eingebaut: Vox humana 8’ (1985), Posaune 16’ (1986, nach den Mensuren von Stade, St. Cosmae), Regal 8’ (1987, Ergänzung zu den Pfeifen von Breil), Trompete 8’ (1989, nach den Mensuren von Ochtersum). Als zusätzliche Register fertigte Michel 1989 „Cuculus“ und „Vogelgeschrey“.

Nach langer Planung und Vorarbeit konnte die Oelinghausener Orgel 2000 endlich umfassend und sorgfältig restauriert werden. Die Arbeiten übernahm die Schweizer Orgelbauwerkstatt Kuhn (Männedorf). Ziel war die Rückführung auf den Zustand von 1717. Im Einverständnis mit der Denkmalbehörde blieben bestimmte spätere Eingriffe wie das selbständige Pedal, das die Orgel bei Klausing nicht besessen hat, Ausführungen am Pfeifenwerk und die äußere Gehäusesituation mit den Registerknöpfen von 1963 bestehen: Die Akzeptanz der Individualität dieser prachtvollen Orgel und ihrer Baugeschichte stand hier klar über dem Wunsch nach der Rückführung auf eine vermeintliche Originalsituation.

Viele Bestandteile mussten aufwendig rekonstruiert werden, beispielsweise die verlorene Springlade des Hauptwerks. Die drei Bälge der neuen Balganlage wurden nach dem Vorbild der Heinrich-Klausing-Orgel in Freren ausgeführt. Die Spiel- und Registertraktur und die Schleiflade des Pedals mussten ebenfalls neu gefertigt werden; die Lade des Brustwerks konnten restauriert werden. Die Manualumfänge wurden vereinheitlicht (das Oberwerk war vorher von C bis f³ vollständig ausgebaut, das Brustpositiv hatte hingegen den Umfang CD-c³ und das Pedal reichte von C bis f¹). 2002 konnten die Arbeiten abgeschlossen werden, so dass die Einweihung am 15. Dezember 2002 stattfand. Regionalkantor Jörg Krämer (Borgentreich) spielte zu diesem Anlass die Orgel.

Zur Position der Orgel: Die Kirche ist so aufgeteilt, dass über der Krypta die große Nonnenempore mit der Orgel steht. Die Prospektpfeifen sowie die die Nonnenemporenbrüstung schmückende, allerdings stumme Pfeifengalerie zeigen in das Hauptschiff, den großen Kirchenraum für die Gemeinde. Vom Hauptschiff zur Empore führen an beiden Seiten Treppen. Die Orgel selbst ist so aufgebaut, dass über dem Spieltisch das Brustwerk liegt, und zuoberst befindet sich das Ober- oder Hauptwerk, das auf dem Brustwerk und den seitlichen Säulen ruht. An der Rückseite der mit der Figur des königlichen Psalmensängers David gekrönten Orgel steht der reich ausgeschmückte, dem hl. Johannes dem Täufer geweihte Altar der Nonnenempore.

Die zweimanualige Orgel besitzt 19 Register, die links und rechts von Notenpult und Manualen in jeweils zwei senkrechten Reihen und (die Pedalregister) darunter in einer waagerechten Reihe an beiden Seiten ihre Züge haben. Die Züge fürs zweite Manual liegen links innen (die unteren beiden) und rechts innen. Die Fußtritte für die drei Koppeln waren bis 2000 an der rechten Seite über dem Pedal angebracht, die entsprechenden Züge liegen links über dem Notenpult. Heute werden die Manuale über eine Schiebekoppel miteinander verbunden. Die Pedalkoppel wird über einen Zug eingeschaltet. Die Pedalregisterzüge, die bis 2000 nicht beschriftet waren, wurden von Kuhn mit Pergamentzetteln versehen, die den historischen Beschriftungen von 1599 nachempfunden sind.

I. OBERWERK | CD–f³

Bardun 16 fuss

Praestant [8']

Rohrflaute 8 fuss

Octava 4 fuß

FlauteDuse 4 fuss

SpitzFlaute 2 fuss

SexquiAltera 3Chör [3']

Mixtur 4.Chor [2']

Cimbal 3Chor [1 1/3']

TrompéttB. 8 fuß

TrompéttDiscant 8 fuß

[Manualschiebelkoppel]

II. BRUSTPOSITIV | CD–f³

Gedact [8']

Octav [4']

Duesflöt [4']

Octav 2 fuss

Mixtur [3f. 1']

PEDAL | CD–d¹

Subbas 16 Fuß

Octava 8 fuß

Octav 4 Fuß

Posaun 16 Fuß

Pedal Coppel


Stern, Tremulant

Mechanische Schleiflade, im Hauptwerk rekonstruierte Springlade.

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D-59757 Arnsberg-Oelinghausen | Oelinghausen 2


Quellen und Literatur: Harald Polenz und Wilfried Michel, Kloster Oelinghausen und die historischen Orgeln 1174-1804, Iserlohn 1989, S. 146-200 ⋄ Orgelbau Kuhn ⋄ Eigener Befund.

Nr. 16 | Diese Orgel habe ich zum ersten Mal am 06.08.1996 (noch vor der Restaurierung) besucht.
© Dr. Gabriel Isenberg | Letzte Änderung: 25.12.2024.