Orgel von Karl Göckel (Mühlhausen-Rettigheim), 1997/98.
Die heutige katholische Pfarrkirche St. Nikolaus in Markdorf im Bodenseekreis ist ein dreischiffiger gotischer Bau aus dem letzten Drittel des 14. Jahrhunderts. Beim großen Stadtbrand von 1842 trug das Kirchengebäude schwere Schäden davon und wurde anschließend in der heutigen Form wiederaufgebaut – 1870 erhielt der Kirchenraum seine neugotische Ausmalung. Der heutige Turm stammt aus dem Jahr 1966 und steht auf dem Sockel des alten Wehrturms aus der Zeit um 1200.
Bereits Ende des 15. Jahrhunderts muss es eine Orgel in der Kirche gegeben haben, denn 1495 wurde eine Pfründe für den Organistendienst gestiftet; 1580 betrug die jährliche Besoldung des Organisten 3 Pfund Heller, diejenige des Kalkanten 2 Pfund Heller „auf Weihnachten“. Orgelreparaturen sind 1714 und 1716 belegt, 1782 wurde eine neue Orgelempore errichtet. Offenbar verfügte die Kirche über zwei Orgeln, denn als das Gebäude bei dem verheerenden Stadtbrand 1842 beschädigt wurde, wurde die Hauptorgel völlig zerstört, die Chororgel dagegen nur leicht beschädigt.
In der in den folgenden Jahren wiederaufgebaute Kirche wurde zunächst die Chororgel 1847 durch Karl Anton Speidel aus Ravensburg instandgesetzt. Erst zehn Jahre später erhielt der Orgelbauer Martin Braun in Hofen 1857 den Auftrag zum Bau einer neuen Orgel mit 22 Registern auf zwei Manualen und Pedal mit mechanischen Kegelladen, die auf einer neu errichteten Empore ihren Platz fand und im Oktober 1860 fertiggestellt war. Die Chororgel kam nach Fertigstellung der großen Orgel nach Beuren im Linzgau, wo sie bis 1900 erhalten blieb.
Die Markdorfer Braun-Orgel wurde 1933 abgelöst durch einen Neubau von der Fa. Wilhelm Schwarz & Sohn aus Überlingen, die bereits seit den 1880er Jahren mit der Betreuung der alten Orgel betraut gewesen war. Die nach einem Dispositionsentwurf von Pater Suitbert Krämer aus Beuron konzipierte Schwarz-Orgel (Firmen-Opus 246) hatte 26 Register und zwei Transmissionen sowie einen zweigeteilten Freipfeifenprospekt; offenbar verwendete Schwarz die Windladen der Braun-Orgel in pneumatisch umgebauter Form wieder. Die Weihe des fertigen Instruments erfolgte am 26. Dezember 1933.
In den 1980er Jahren zeichnete sich ab, dass die in die Jahre gekommene Schwarz-Orgel auf kurz oder lang durch ein neues Instrument ersetzt werden müsste; dazu wurde 1987 ein Orgelbauverein gegründet, der sich für die Finanzierung und Planung eines neuen Instruments stark machte. Für den Einbau der neuen Orgel musste auch eine neue Empore konstruiert werden, außerdem sollte das Fenster in der Westwand freigehalten werden. Nach dreijähriger Planungs- und Bauphase konnte die neue Orgel als Opus 33 der Orgelbauwerkstatt Karl Göckel in Mühlhausen-Rettigheim am 1. Februar 1998 eingeweiht wurde.
Die von Kantor Christian Ringendahl zusammen mit dem Erzbischöflichen Orgelinspektor Konrad Philipp Schuba entworfene Disposition orientiert sich am französisch-symphonischen Orgelstil nach dem Vorbild Aristide Cavaillé-Colls mit ihren „orchestralen Farben und fließenden Übergängen“. Damit stellt sie in der „süddeutschen Orgellandschaft mit ihrer Vielzahl barocker und neobarocker Orgeln [...] eine willkommene Bereicherung dar“. Das äußere Bild der Orgel bestimmen die beiden Hauptwerktürme mit den großen Principalpfeifen. Dahinter befindet sich das Récit und (darunter, vor dem Pedalwerk) das Positif. Das schwellbare Positif ist mit einer Vorhangfassade aus Glas versehen, die das Licht des Fensters durchscheinen lässt. Die Basis der Hauptwerktürme, die Seiten und die Rückwand der Orgel wurden zwischen den Stahlstützen mit ahornfurnierten Holzpaneelen ausgefacht. Dem Kirchenraum entsprechend und in formaler Einheit mit der Empore ist auch der Orgelprospekt ohne zusätzlich schmückendes Beiwerk gestaltet. Durch die Beschränkung auf Stahl, Glas und Holz als Materialien und die geradlinige und schlichte, auf das Wesentliche beschränkte Form tritt die Funktion aller Bauteile deutlich hervor. Bescheidenheit und Schönheit des alten Gebäudes können so durch die neue Architektur erhalten und in ihrer Zeitlosigkeit fortgesetzt werden.
2017 erfolgte eine Reinigung und Generalüberholung durch die Orgelbaufirma Josef Maier in Hergensweiler, bei der auch die Zugänglichkeit zum Pfeifenwerk verbessert wurde.
I. GRAND ORGUE | C–a³
Bourdon 16'
Montre 8'
Flûte harmon. 8'
Bourdon 8'
Gambe 8'
Préstant 4'
Flûte 4'
Doublette 2'
Cornet V 8'
Fourniture IV 1 1/3'
Trompette 8'
Clairon 4'
Tremblant
Octave grave III–I
III–I
II–I
II. POSITIF EXPRESSIF | C–a³
Cor de nuit 8'
Salicional 8'
Unda maris 8'
Préstant 4'
Flûte 4'
Nasard 2 2/3'
Quart de Nasard 2'
Tierce 1 3/5'
Larigot 1 1/3'
Cymbale III 1'
Cromorne 8'
Tremblant
III–II
III. RÉCIT EXPRESSIF | C–a³
Diapason 8'
Flûte travérs. 8'
Viola de gambe 8'
Voix celeste 8'
Aeoline 8'
Flûte octaviante 4'
Octavin 2'
Nasard 2 2/3'
Tierce 1 3/5'
Plein jeu V 2'
Basson 16'
Trompette harmon. 8'
Hautbois 8'
Voix humaine 8'
Clairon 4'
Tremblant
PEDAL | C–g¹
Contrebasse 16'
Soubasse 16'
Bourdon 16'
Quintbasse 10 2/3'
Flûte 8'
Flûte 4'
Bombarde 16'
Trompette 8'
I–P
II–P
III–P
Setzeranlage (32x4x8) mit Sequenzern, Tutti und Nulltaster; Koppeln auch als Fußpistons.
Schleiflade mit mechanischer Spiel- und elektrischer Registertraktur.
D-88677 Markdorf | Kirchgasse 1
Quellen und Literatur: Eine Zusammenstellung der archivalischen Quellen zur Markdorfer Orgelgeschichte wurde mir freundlicherweise von Mark Vogl zur Verfügung gestellt ⋄
Festschrift zur Orgelweihe 1998, hrsg. von der Kath. Kirchengemeinde St. Nikolaus, 88677 Markdorf ⋄ Eigener Befund.
Nr. 602 | Diese Orgel habe ich am 06.08.2021 besucht.
© Dr. Gabriel Isenberg | Letzte Änderung: 07.03.2025.
www.orgelsammlung.de
© Dr. Gabriel Isenberg, 2023/25