Marienstatt, Abteikirche der Zisterzienser

Orgel von Rieger Orgelbau (Schwarzach), 1969; mehrfach erweitert.


© Marienstatter Musikkreis
© Marienstatter Musikkreis

Nach der Gründung ihres Klosters im Jahr 1212 sind die Zisterzienser seit 1227 in Marienstatt ansässig. Als erste rechtsrheinische gotische Kirche Deutschlands geht der von zisterziensischer Einfachheit geprägte Bau auf mehrere Bauperioden im Zeitraum zwischen 1222 und 1425 zurück. Die ursprüngliche Tönung im Innern wurde bei der Restaurierung 1972–81 wieder neu aufgelegt. Von 2001 bis 2006 wurden umfangreiche, substanzerhaltende Restaurierungsarbeiten durchgeführt.

Unter Abt Philipp aus Münstermaifeld erhielt die Kirche am 23. Juni 1611 eine neue Orgel, bei der es sich aber vermutlich nicht um die erste Orgel in Marienstatt handelte. In einer Inventarliste von 1633 ist die Rede von einer „zimblichen Orgell, unnd uff den Chor ein newes Positiv ahngefangen aber nicht ausgemachet worden“. Wie in vielen Kloster- und Stiftskirchen jener Zeit verfügte also offenbar auch die Marienstatter Abteikirche über zwei Orgeln.

Über lange Zeit hindurch schweigen dann die Urkunden über den Zustand und die Beschaffenheit der Instrumente. Aus einem Bericht Ende des 18. Jahrhunderts erfährt man jedoch, dass sich die große Orgel auf einer Empore befand, zu der man vom Kloster aus durch einen Gang gelangte. Und auch spätere Unterlagen belegen die Postition der Orgel auf der Empore vor dem Westfenster.

Im Zuge der Säkularisation mussten die Zisterzienser Marienstatt verlassen. Die Kirche wurde zwar weiterhin für Gottesdienste genutzt, doch die Orgel wurde stark vernachlässigt und war bald kaum noch spielbar.

Nach langen Verhandlungen erhielt schließlich der Orgelbauer Daniel Rassmann aus Möttau 1854 den Auftrag zum Bau einer neuen Orgel mit 16 Registern (bei zwei Manualen und Pedal), die wieder auf der Empore vor dem Westfenster Aufstellung fand. Offenbar verwendete Rassmann dabei zum Teil Pfeifenwerk aus der alten Klosterorgel wieder.

Nach dem Kulturkampf wurde in Marienstatt im Jahr 1888 als Teil der Mehrerauer Kongregation wieder eine Zisterzienserabtei eingerichtet. 1896 kam der vormalige Passauer Domorganist Dominikus Pamler als Zisterzienser nach Marienstatt. Auf sein Anraten hin fügte der Orgelbauer Carl Horn aus Limburg der Orgel 1897 eine Gamba 8' im Hauptwerk hinzu. Dennoch war die kleine Orgel nicht in der Lage, den großen Kirchenraum musikalisch adäquat zu füllen. Und außerdem war es aufgrund der räumlichen Entfernung nicht möglich, von der Orgel auf der Westempore den Choralgesang der Mönche zu begleiten. Daher behalf man sich ab 1901 beim Chorgebet zunächst mit einem Orgelharmonium. Es dauerte noch weitere elf Jahre, bis 1912 endlich eine große Chororgel im nördlichen Querschiff eingebaut werden konnte. Das von dem durch seine Künstlerfreunde Joseph Rheinberger und Max Reger stark beeinflussten P. Dominikus Pamler maßgeblich mitgestaltete Instrument wurde von der Paderborner Orgelbauanstalt Franz Eggert, Inh. Anton Feith, gebaut und verfügte über 45 Register auf drei Manualen und Pedal.

Die alte Rassmann-Orgel auf der Westempore hatte indes noch bis 1941 Bestand, wenngleich sie seit 1917 ihrer Zinn-Prospektpfeifen beraubt war, die man für die Rüstungsindustrie des Ersten Weltkriegs hatte abgeben müssen. Erst im Zuge der Kirchenrenovierung 1941 wurde die Orgel mitsamt der steinernen Orgelempore abgerissen. Auch die Chororgel von 1912 musste während der Kirchenrenovierung im Pfarrsaal ausgelagert werden. Doch hatte sie dabei einige Schäden erlitten – und da ihre stark romantisch geprägte Disposition inzwischen nicht mehr den orgelbewegten Vorstellungen der Zeit entsprach, entschied man sich zu einem grundlegenden Umbau, bei dem allerdings ein Großteil der alten Register wiederverwendet wurde. Das erneut von der Orgelbauwerkstatt Anton Feith in Paderborn erbaute Werk wurde am 26. November 1950 eingeweiht. Im Sommer 1952 kamen noch drei weitere Register hinzu, so dass das Instrument inzwischen über 41 klingende Stimmen verfügte.

Nach dem Tod von P. Dominikus Pamler am 1. Juni 1955 übernahm sein Schüler P. Gabriel Hammer den Organistendienst in der Abteikirche. Die mehrfach umgebaute Feith-Orgel war aber inzwischen durch häufige Reparaturen immer anfälliger geworden, so dass sich der Konvent schließlich 1965 zum Verkauf der Orgel und dem Bau einer neuen Orgel entschloss. Die Feith-Orgel wurde an die Pfarrei St. Peter in Köln-Ehrenfeld verkauft, wo sie 1966 zunächst unverändert wieder aufgestellt und 1988 bei einem Umbau durch die Fa. Siegfried Sauer (Höxter) mit einem aus den Niederlanden angekauften historischen Gehäuse versehen wurde.

In Marienstatt wurden die kommenden Jahre ohne große Orgel durch eine kleine Interimsorgel der Fa. Rieger überbrückt, die mit ihren elf Registern aber dennoch gute Dienste leistete.

Am 19. April 1970 war es schließlich soweit: Die neue Orgel der Firma Rieger Orgelbau aus Schwarzach (Vorarlberg) konnte eingeweiht werden. Das von dem Leiter der Fa. Rieger, Josef von Glatter-Götz, und Georges Lhôte entworfene Orgelgehäuse steht frei, ohne Säulen und Gewölbe zu berühren, im nördlichen Vierungsjoch der Kirche und ist farblich an das massive Eichenholz-Chorgestühl von 1390 angepasst. Bewusst wurden jegliche pseudogotischen Formen vermieden, und dennoch fügt sich die Orgel optisch nahtlos in den gotischen Kirchenraum ein. Außer dem „Hauptprospekt“, der mit seinen weit spitz auskragenden Türmen auch aus dem Hauptschiff optisch wahrnehmbar ist, zeigt die Orgel auch an ihrer Rückseite einen Pfeifenprospekt, hinter dem das Kleinpedal steht; auf dem Sockelgesims ist folgendes Chronogramm zu lesen: „anIMa organI Cantet aC eX CorDe sanCto IVbILet“ („Die Seele der Orgel möge singen und von Herzen dem Heiligen jubilieren“), worin die Jahreszahl 1969 enthalten ist. Die Intonation der Orgel lag in den Händen von Georg Jann, der mit der Marienstatter Orgel ein klangliches Meisterwerk schuf, das bald weit über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt wurde. Eine Besonderheit der Orgel ist zudem die original-historische, spanische Zungenbatterie von 1732, die direkt oberhalb des Brustwerks in den Raum spricht.

Im Jahr 1987 fand eine Reinigung und Generalüberholung der Orgel durch die Fa. Rieger statt.

Nachfolger P. Gabriel Hammers im Amt des Abteiorganisten wurde 1995 Fr. Gregor Brandt. Unter seiner Anleitung erhielt die Orgel Ende 1997 durch die Erbauerfirma Rieger ein modernes, 5000faches elektronisches Setzersystem in Mikroprozessortechnik mit drei einstellbaren Registercrescendi, das die ursprünglich 44 Generalkombinationen ersetzte. Dabei erfuhr auch der Spieltisch eine Umgestaltung, und die Schwebung im Schwellwerk wurde in zwei Register aufgeteilt.

Während der Kirchensanierung in den Jahren 2001–06 war die Orgel zum Schutz vor Staub und Beschädgigungen fast fünf Jahre lang eingehaust. Nach Abschluss der Arbeiten im Kirchenraum stand 2006 eine umfassende Reinigung und Sanierung der Orgel an. In diesem Zuge wurde auch die Pedaldisposition um vier Register erweitert, um dem Orgelklang im Bassbereich mehr Fundament zu verleihen; die neuen Pedalregister fanden auf einer Stahlkonstruktion an der Rückseite der Orgel über dem Kleinpedal Aufstellung. Außerdem erhielt die Orgel eine historische Celesta-Harfe, die 1920 von der berühmten amerikanischen Orgelbauwerkstätte Skinner gebaut worden war. Die Arbeiten führte die Orgelbauwerkstatt Romanus Seifert & Sohn aus Kevelaer aus, wobei die Intonateure Andreas Saage, Bernd Reinartz und Jaques Hanss bei der umfassenden Überarbeitung der Intonation auch eng mit Georg Jann zusammenarbeiteten, der ja bereits 1969 die Orgel intoniert hatte.

Weitere Änderungen und Ergänzungen folgten: 2007 kam ein Röhrenglockenspiel mit echten Bronzeglocken hinzu. 2012 erhielt die Orgel eine überblasende Flöte 8' und eine Gambe 8' (jeweils mit 4'-Extensionen) als Ergäzung. 2015 konnte um die seitlich hängende Celesta-Harfe ein drittes Schwellwerksgehäuse gebaut werden, so dass die Celesta durch das Öffnen und Schließen der Schwelltüren dynamisch abgestuft werden kann; hinzu kamen der Choralbordun 8' mit der Bordunalschwebung 8' und eine durchschlagende Klarinette 8' mit eigenem Windschweller, die ebenso wie die Celesta-Harfe nach Skinnerschem Vorbild gefertigt ist. 2016 ergänzte Orgelbau Elmar Krawinkel (Trendelburg-Deisel) im Chorwerk eine englische Dulciana 8', die als weiteres historisches Register aus einer Orgel des Orgelbauers Peter Conacher vom Ende des 19. Jahrhunderts statt.
Im Juni 2022 erhielt die Orgelbauwerkstatt Stephan Oppel (Schmallenberg) den Auftrag zum Einbau weiterer historischer englischer Register im Choralwerk (darunter die seltene Zweifach-Schwebung zur Dulciana, d. h. mit überschwebender Celeste sowie unterschwebender Unda maris) sowie zum Bau eines Echowerks und eines fahrbaren Chorwerks. Das 2023 eingebaute Echowerk ist unterhalb des Kleinpedals auf der Rückseite der Rieger-Orgel in den Motorraum hineingebaut und wie eine Tür herausfahrbar, um den Zugang zur Traktur der Rieger-Orgel zu gewährleisten. Und das Ende 2024 fertiggestellte Chorwerk steht in einem eigenen Gehäuse (Entwurf: Lothar D. Zickermann), das vor dem Barock-Gitter im nördlichen Seitenschiff seine Aufstellung fand und fahrbar eingerichtet ist. Die Register stammen wie beim Choral- und Echowerk original aus englischen Orgeln des 19. Jahrhunderts. Und schließlich ermöglicht ein neuer fahrbarer Spieltisch, der 2025 von Orgelbau Oppel fertiggestellt wird, ein problemloses Musizieren zusammen mit Chören und Ensembles im und vor dem Altarraum. Dabei wurde auch das bisherige Setzersystem „Sinua Castellan“ erweitert bzw. gegen das größere „System Sinua“ ausgetauscht.
Auf diese Weise ist die bedeutende Rieger-Orgel von 1969/70 in ihrem Kern erhalten, jedoch im Laufe der Zeit um etliche Elemente erweitert worden, die – orientiert an der englischen Orgelromantik mit zahlreichen historischen Originalregistern – das Klangfarbenspektrum vor allem im dynamischen Bereich erheblich ausweiten.

I. RÜCKPOSITIV | C–g³

Spitzgedackt 8'

Flöte 8' [2012, Tr. HW]

Salizional 8'

Gambe 8' [2012, Tr. HW]

Prinzipal 4'

Koppelflöte 4'

Flöte 4' [2012, Ext./Tr. HW]

Gambe 4' [2012, Ext./Tr. HW]

Gemshorn 2'

Sesquialter [2f.] 2 2/3'

Scharff 4f 1'

Krummhorn 8'

Klarinette 8' [2015, Tr. CW]

Tremulant

III an I

Sub III an I

Super III an I

IV - I

II. HAUPTWERK | C–g³

Prinzipal 16'

Prinzipal 8'

Spitzflöte 8'

Flöte 8' [2012]

Gambe 8' [2012]

Oktav 4'

Rohrflöte 4'

Flöte 4' [2012, Ext.]

Gambe 4' [2012, Ext.]

Quinte 2 2/3'

Superoktav 2'

Larigot 2f. 1 1/3'

Mixtur 5-7f. 1'

Cornett 5f. 8' [ab gº]

Dulzian 16'

Klarinette 8' [2015, Tr. CW]

Trompete 8'

I an II

III an II

Sub III an II

Super III an II

IV an II

III. SCHWELLWERK | C–g³

Bordun 16'

Prinzipal 8'

Rohrflöte 8'

Aeoline 8' [ab cº]

Schwebung 8' [ab cº]

Oktav 4'

Blockflöte 4'

Nasat 2 2/3'

Hohlflöte 2'

Terz 1 3/5'

Mixtur 5f. 2'

Hautbois 8' [2006]

Klarinette 8' [2015, Tr. CW]

Trompete 8'

Clairon 4'

Tremulant

Sub III

Super III

IV an III

IV. BRUSTWERK | C–g³

(schwellbar)

Holzgedackt 8'

Flöte 8' [2012, Tr. HW]

Gambe 8' [2012, Tr. HW]

Quintade 8'

Rohrflöte 4'

Flöte 4' [2012, Ext./Tr. HW]

Gambe 4' [2012, Ext./Tr. HW]

Prinzipal 2'

Quinte 1 1/3'

Sifflet 1'

None 8/9'

Zimbel 2f. 1/4'

Vox Humana 8'

Tremulant


IV. SPANISCHES WERK | C–g³

(B/D-Teilung hº/c¹)

B/D Bajoncillo 4'

D Clarin Claro 8'

B/D Trompeta de Batalla 8'

B Tromp. Magna 16'

D Chirimia 2'

Sub III an IV

Super III an IV

PEDAL | C–f¹

Untersatz 32' [2006]

Prästant 16'

Untersatz 16' [2006, Ext.]

Subbaß 16'

Oktav 8'

Gedacktbaß 8' [2006]

Cello 8' [2006]

Choralbaß 4'

Nachthorn 2'

Zinke 3f. 5 1/3'

Mixtur 4f. 2 2/3'

Kontraposaune 32' [2006]

Bombarde 16'

Posaune 16' [2006, Ext.]

Posaune 8'

Busine 4' [2012 ?]

I an P

II an P

III an P

IV an P

Super III an P

CHORALWERK [2023]

Choralbordun 32' / 16' / 8'

Bordunschwebung 8' [ab cº]

Salicional 32' / 16' / 8'

Viola celeste 8' [ab cº]

Dulciana 16' / 8' / 4' / 2'

Dulciana celeste 8' [ab cº] / 4' / 2'

Dulciana celeste II 8'

Dulciana unda maris 8' [ab cº]

Vox humana 8'

Klarinette 16' / 8'

Celesta-Harfe

Tremulant

 

AUXILIAR (separat)

Physharmonika 16' / 8'

ECHOWERK [2023]

Konzertflöte 16' / 8' / 4' / 2'

Flute celeste 8' [ab cº] / 4' / 2'

Small Tuba 8' / 4'

Closed Horn 8'

Tremulant

GLOCKENSPIELE [2006/07]

Glockenspiel in IV

Glockenspiel in III

Celesta in IV

Celesta in III

Zimbelstern


CHORWERK [2024]

Linker Schwellturm

■ Grand Bourdon 32' · Bourdon 16' · Liebl. Gedackt 8' · Flute 4' · Piccolo 2'

■ Double Open Diapason 16' · Open Diapason 8' · Principal 4' · Fifteenth 2'

■ Major Flute 16' · Suabe Flute 8' · Melodia 4' · Lieblich Flute 2'

■ Contra Gamba d'orchestre 16' · Gamba d'orchestre 8'

■ Celeste d'orchestre 8' [ab cº]

■ Contra Fagott 32' · Fagott 16' · Oboe 8'

Tremulant

Rechter Schwellturm

■ Keraulophon 16' · 8'

■ Contra Salicional 32' · 16'

■ Salicional 8' · Salicet 4' · Salicetina 2' · Viol 1 1/3' · Salicetina 1' · Salicional Mixture 3f. [2', 1 1/3', 1']

■ Unda maris 8' · 4' · 2'

■ Viol Quint 5 1/3' [ab cº] · Viol Tierce 3 1/5' · Viol Quint 2 2/3' · Viol Tierce 1 3/5' · Grand Cornet de Violes 5f. [16', 8', 5 1/3', 4', 3 1/5'] · Cornet de Violes 3f. [3 1/5', 2 2/3', 2'; ab cº]

■ Orchestral Oboe 8'

■ Grand Horn 16' · Cornopean 8'

Tremulant


Große Setzeranlage System Sinua mit zahlreichen Registrierebenen, freier Werkverteilung, neuartigen Spielhilfen, Anschlagsdynamik etc.

Schleiflade, mechanische Spieltraktur (Hauptorgel) mit elektrischer Registertraktur und elektrischer Steuerung der Ergänzungen.

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D-57629 Marienstatt | Abtei Marienstatt


Quellen und Literatur: P. Gabriel Hammer, Zur Geschichte des Marienstatter Orgelbaues, Marienstatt 1969 ⋄ Frdl. Auskünfte und Materialien von Fr. Gregor Brandt OCist ⋄ Eigener Befund.

Nr. 13 | Diese Orgel habe ich zum ersten Mal am 10.07.1996 gespielt, danach mehrfach bei Besuchen, Gottesdiensten und Konzerten.
© Dr. Gabriel Isenberg | Letzte Änderung: 22.12.2024.