Orgel von Peter Henrich Varenholt (Bielefeld), 1701, unter Verwendung von älteren Bestandteilen.
Die Pfarrei St. Peter und Paul Kirchhundem ist erstmals 1261 im Rahmen der Abpfarrung von der Mutterpfarre Wormbach urkundlich erwähnt. 1340 legte man den Grundstein für die neue romanische Kirche, die 1470 erweitert wurde.
Bereits im Jahr 1599 erhielt die Pfarrkirche in Kirchhundem ihre erste Orgel, wie aus einem Tagebucheintrag des Landdrosten zu Bilstein, Caspar von Fürstenberg, zu erfahren ist. Als Erbauer dieses kleinen Positivs dürfen wir den aus Bremen stammenden Marten de Mare annehmen, der mit der Familie von Fürstenberg in Verbindung stand und sich in dieser Zeit in Westfalen aufhielt und unter anderem auch für die Burg Schnellenberg bei Attendorn eine Orgel baute.
Die Kirchhundemer Pfarrchronik vermerkt, dass „im Jahr 1662 […] die zweite Orgel durch eine Collecte der Pfarrgenossen erbauet“ wurde. Offenbar dauerte es bis zur Fertigstellung des Werks aber noch drei Jahre; als erster Organist wird Everd Leggemann, als erster Bälgetreter Antonius Hermes genannt. Da in der Pfarrchronik ausdrücklich von der zweiten Orgel die Rede ist, wird das Positiv zu diesem Zeitpunkt noch bestanden haben. Ob es durch die neue Orgel 1662/65 ersetzt wurde, oder ob eine Zeitlang beide Orgeln parallel existierten, lässt sich heute nicht mehr sagen. 1699 heißt es, dass die 1665 eingebaute Orgel nunmehr den immer noch fehlenden Orgelprospekt erhalten habe. Er wurde von „Meister Johannes Viegener aus Nieder-Netphen“ und dem Bildhauermeister Johannes Sasse aus Attendorn gefertigt.
Die bis heute bestehende Barockorgel geht auf einen Orgelneubau des Bielefelder Orgelbauers Peter Henrich Varenholt zurück, mit dem man am 31. August 1701 den Vertrag geschlossen hatte. Bereits am 2. Januar 1702 spielte der Organist des benachbarten Stifts Keppel bei der Weihe. Nur wenige Jahre später (1706/07) ist in den Kirchenrechnungen von „renovatione und zwey neue Register“ die Rede, was durch Varenholt und seinen Vetter Johann Adam Reinking ausgeführt wurde. 1712 wurde die Orgel illuminiert (d. h. bemalt). Aus den in kurzer Folge hintereinander auftretenden Veränderungen können wir schließen, dass es sich bei Varenholts Werks 1701/02 möglicherweise gar nicht um einen kompletten Neubau handelte. Diese These wird dadurch gestützt, dass eine Analyse des heute noch vorhandenen Pfeifenwerks auf ein teilweise deutlich höheres Alter der Pfeifen hinweist.
1814 nahm der Orgelbauer Christian Roetzel aus Alpe bei Eckenhagen einen Umbau der Orgel vor, bei dem auch die alte Springlade durch eine neue Schleiflade mit dem damals modernen Manualumfang bis f³ ersetzt wurde. Die neue Spielanlage war auf der unteren Empore (durch ein Gitterwerk vom Kirchenraum aus verdeckt) an die rechte Seite der Orgel angebaut und mit dem von Roetzel auch andernorts öfters gebauten Forte-Piano-Tritt ausgestattet. Auch die Disposition wurde von Roetzel in einigen Punkten verändert und erweitert. Die abschließende Revision der Arbeiten erfolgte am 1. Dezember 1817 durch P. Chrysologus Heimes.
Im Laufe des 19. Jahrhunderts erfolgten weitere kleinere Veränderungen, die vor allem die Balganlage betrafen (Hermann Loos 1862, Adam Fischer 1883).
In den Jahren 1915–17 wurde an den Turm und die zwei Westjoche der romanischen Kirche im 90°-Winkel nach den Plänen des Aachener Dombaumeisters Joseph Buchkremer eine neue imposante Kirche in neugotischen Formen angebaut. Zunächst verwendete man hier weiterhin noch die Barockorgel auf der erhalten gebliebenen Westempore, die jedoch den großen Raum klanglich nicht füllen konnte. Und so erhielt die Kirche 1940 auf der geräumigen Südempore eine neue » große Orgel von der Orgelbauanstalt Anton Feith in Paderborn; dort im Spieltisch hatte man bereits ein drittes Manual eingebaut, das für die spätere Einrichtung eines schwellbaren Fernwerks im Gehäuse der Barockorgel vorgesehen war. Durch den Krieg gelangten diese Pläne aber nicht mehr zur Verwirklichung. Im Gegenteil: Die Barockorgel wurde nicht mehr genutzt und verfiel.
In den 1950er Jahren wurde der Musikwissenschaftler und Orgelforscher Rudolf Reuter im Rahmen seiner Inventarisation der westfälischen Orgellandschaft auf die Barockorgel aufmerksam. Unter seiner Anleitung wurde die Orgel daraufhin 1953 durch Paul Ott (Göttingen) nach den damaligen denkmalpflegerischen Maßstäben restauriert. Ott verlegte die Spielanlage von der Seite in die Front und fügte ein zweites Manual für den späteren Einbau eines Unterwerks hinzu – die Registerzüge auf der linken Spieltischseite sind (bis auf den Subbass-Zug) alle ohne Funktion, die Züge für das vorhandene Hauptwerk befinden sich auf der rechten Seite. So sehr Reuters Verdienst um die Erhaltung der Barockorgel anzuerkennen ist, so gravierend waren die Eingriffe der Orgelbauer in die historische Substanz. Sowohl Technik als auch Windladen, Balganlage und Pfeifenwerk wurden 1953 erheblich verändert und erneuert, und auch die Disposition wurde verändert und um einen Subbass im Pedal ergänzt. Eine weitere Reinigung und Überholung erfolgte durch die Fa. Ott im Rahmen der Kirchenrenovierung 1980/81.
Seit Ende der 1980er Jahre ist die Orgel bei Fa. Klais (Bonn) in Pflege. Es liegen bereits mehrere Pläne zu einer Restaurierung und möglichen Annährung an den barocken Zustand des wertvollen Instruments vor, die bislang aber noch nicht zur Ausführung gelangen konnten. Die Kirchhundemer Barockorgel gehört zu den wertvollsten und ältesten erhaltenen Orgelbauzeugnissen des südlichen Sauerlands.
I. MANUAL | C–f³
Principal 8’
Quintade 16’
Gedackt 8’
Oktave 4’
Gemshorn 4’
Nasat 2 2/3’
Oktave 2’
Waldflöte 2’
Terz 1 3/5’
Oktave 1’
Mixtur 4f.
Dulcian 16’
Trompete 8’
PEDAL | C–f¹
Subbass 16'
Koppel I–P
II. MANUAL mit Registerzügen und Koppeltritten für den späteren Einbau eines Unterwerks vorbereitet.
Mechanische Schleiflade.
D-57399 Kirchhundem | Hundemstraße 53
Quellen und Literatur: Orgelakten im Pfarrarchiv Kirchhundem ⋄ Rudolf Reuter, Historische Orgeln im Kreis Olpe, Münster 1982, S. 11f ⋄ Jörg Gattwinkel, Die „alte Orgel“ der
Pfarrkirche St. Peter und Paulin Kirchhundem/Sauerland, Manuskript 2013 ⋄ weitere eigene Forschungen ⋄ Eigener Befund.
Nr. 114 | Diese Orgel habe ich zum ersten Mal am 14.12.2000 im Rahmen einer Konzertvorbereitung gespielt.
© Dr. Gabriel Isenberg | Letzte Änderung: 10.01.2025.
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