Karlshorst, Zur frohen Botschaft

Orgel von Peter Migendt und Ernst Marx (Berlin), 1755, seit 1960 in der Kirche Zur frohen Botschaft in Berlin-Karlshorst.


Bildquelle: allekirchenberlins.wordpress.com, 16.09.2018
Bildquelle: allekirchenberlins.wordpress.com, 16.09.2018

Die „Amalien-Orgel“ hat eine lange und bewegte Geschichte hinter sich. Seit 1960 steht sie in der evangelischen Kirche Zur frohen Botschaft in der ehemaligen Kolonie Karlshort in Berlin. Als die Kirche am 8. Mai 1910 in Anwesenheit „Seiner Königlichen Hoheit“ August Wilhelm Prinz von Preußen eingeweiht worden war, verfügte sie über eine Orgel der Orgelbauanstalt Wilhelm Sauer (Frankfurt/Oder) mit 32 Registern. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs war die Kirche schwer beschädigt worden; nach Kriegsende lag das Kirchengelände auf dem Territorium, das die Sowjetische Armee als Standort für ihre Militäradministration in Deutschland abgesperrt hatte. Die Kirche diente nun als Speicher und Pferdestall, und die Orgel wurde abgebaut – ihr Verbleib ist bis heute ungeklärt.

Die schließlich 1960 dort aufgestellte historische Orgel hat ihren Namen von der ersten Besitzerin: der musikbegeisterten Prinzession Anna Amalie von Preußen (1723–1787), einer Schwester Friedrichs des Großen. Sie hatte die Orgel 1755 nach Beratung durch den Musiktheoretiker und Bach-Schüler Johann Philipp Kirnberger für ihr Zuhause, das Berliner Stadtschloss, bauen lassen, wo das Instrument im Balkonzimmer im zweiten Stock des Lustgartenflügels seinen Platz hatte. Zwar sind weder ein Bauvertrag noch ein Abnahmebericht des Mitte Dezember 1755 fertiggestellten Instruments erhalten, doch aus späteren Dokumenten geht hervor, dass offenbar der Berliner Orgelbauer Peter Migendt den Auftrag zum Bau des Instruments erhalten, jedoch dessen Schüler Ernst Marx die Orgel vermutlich als sein Meisterstück in der Werkstatt Migendts gefertigt hatte.

1767 ließ die Prinzessin die Orgel durch Ernst Marx in ihr neues Palais Unter den Linden 7 umsetzen. Das Palais wurde mit seiner Orgel zu einem bedeutenden Ort im Berliner Musikleben der Zeit: Musiker aus aller Welt kamen hier zu Konzerten und anderen Gelegenheiten zusammen.

Nachdem Prinzessin Anna Amalie 1772 das ehemalige Palais des Barons de Vernezobre erworben und 1776 mit einer neuen, 28 Register großen Orgel von Ernst Marx hatte ausstatten lassen, wurde die erste Orgel von 1755 im Palais Unter den Linden nicht mehr gepflegt. Nach Anna Amalies Tod 1787 verschenkte Prinz Ludwig von Preußen als ihr Erbe die Orgel 1788 an die Schlosskirche Buch, eine der schönsten Barockkirchen Berlins, deren Empore und Gewölbe für das große Instrument allerdings erheblich umgebaut werden mussten.

Bis Anfang des 20. Jahrhunderts blieb die Orgel dort unverändert bestehen; die originalen Prospektpfeifen wurden im Ersten Weltkrieg nicht beschlagnahmt, da man den historischen Wert des Instruments erkannte. Kleinere Reparaturen fanden 1924 bis 1926 statt. Im Rahmen der Restaurierung der Bucher Schlosskirche kam man jedoch in den 1930er Jahren zu der Erkenntnis, dass die Orgel in ihren Ausmaßen und ihrer Klangstärke nicht zu der kleinen Schlosskirche passe, und Orgelbauer Hans Joachim Schuke riet 1934 in einem Gutachten zur Umstellung der Orgel in einen größeren Raum. So verkaufte man 1938 die Orgel an den Gemeindekirchenrat von St. Marien und St. Nicolai in Berlin, um sie nach erfolgter Restaurierung in St. Nicolai als Zweitorgel aufzustellen. Doch durch die Wirren des Zweiten Weltkriegs kamen die angelaufenen Planungen zum Stillstand. Prospekt (samt Pfeifen) und Gehäuse, die zunächst im Seitenschiff der St.-Marien-Kirche aufgestellt worden waren, wurden 1943 vorsorglich im Keller der „Berliner Münze eingelagert, 1945 brachte man sie in die alte Sakristei der St.-Marien-Kirche. Windladen, Mechanik und Pfeifenwerk überdauerten die Kriegszeiten in der Werkstatt Schuke in Potsdam.

Da die Berliner Nicolai-Kirche bei Kriegsende bis auf die Umfassungsmauern zerstört war, verschenkte man 1956 die Orgel an die inzwischen mit viel privatem Engagement als Kirchengebäude wiederhergestellte Kirche in Karlshorst, die nun den Namen „Zur frohen Botschaft“ erhielt. Dort wurde das historische Schmuckstück von der Potsdamer Fa. Alexander Schuke nach einer umfassenden Restaurierung aufgestellt. War bis jetzt die originale Disposition unangetastet geblieben, so nahm man bei der Wiederherstellung fälschlicherweise an, die Orgel habe ursprünglich mehr Zungenstimmen besessen, so dass Flöt Dus 8' im Hauptwerk und Salicional 8' im Oberwerk durch die Zungenregister Trompete 8' und Vox humana 8' ersetzt wurden. Die als Gabelkoppel erhaltene Manualkoppel wurde wiederverwendet, eine Pedalkoppel (I-P, durchkoppelnd) neu angelegt; die Ventil-Züge legte man still. Sowohl Spieltrakturen als auch Windversorgung wurden durch Schuke erneuert und der Stimmton durch Verkürzen der Pfeifen erhöht. Am 19. Juni 1960 fand die Wiedereinweihung der Orgel statt.

2004 setzten die ersten konkreten Planungen zu einer erneuten Restaurierung und Rückführung auf den Ursprungszustand ein. Die Restaurierung führte schließlich die Dresdner Orgelbauwerkstatt Christian Wegscheider im Jahr 2009/10 aus – die Wiedereinweihung erfolgte am 10. Dezember 2010. Die 1960 hinzugefügten Register wurden entfernt und durch die ursprünglichen Register ersetzt, deren Pfeifen noch vorhanden waren. Einige der 1960 eingebauten, inzwischen schadhaften Pfeifen wurden ausgetauscht. Außerdem rekonstruierte Wegscheider die Balganlage mit drei Keilbälgen sowie die Stimmtonhöhe, die nun annähernd original bei 430 Hz liegt (Temperierung: Bach-Kellner). Das Gehäuse mit dem Schnitzwerk und der Farbgebung wurde durch die Dresdner Restauratorin Hilke Frach-Renner restauriert.

Die ehemalige Konzert- und Hausorgel der Prinzessin Anna Amalie von Preußen – vom früheren Organisten Roland Münch (1936–2001) auch liebevoll „Malchen“ genannt – kann heute als älteste in wesentlichen Teilen erhaltene Orgel Berlins gelten und ist eines der herausragende  Instrumente in der reichen Berliner Orgellandschaft.

I. HAUPTWERK | C–f³

Principal 8'

Bordun 16' B/D

Viola di Gamba 8'

Rohrflöte 8'

Octave 4'

Quinta 3'

Octave 2'

Mixtur 4f. 1 1/3'

Flöt Dus 8'

Coppell

II. OBERWERK | C–f³

Principal 4'

Quintadena 8'

Gedact 8'

Gedact 4'

Nassat 3'

Wald Flöt 2'

Sis Flöt 1'

Salice 8' [ab c¹]

Tremulant

PEDAL | C–d¹

Subbaß 16'

Octave 8'

Octave 4'

Posaune 16'

Bass Flöt 8'

Pedalkoppel


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D-10319 Berlin-Karlshorst | Weseler Straße 6


Quellen und Literatur: Berthold Schwarz (Hrsg.), 500 Jahre Orgeln in Berliner evangelischen Kirchen (2 Bde.), Berlin 1991, S. 123-135 (Bd. 1) = Uwe Pape und Stefan Behrens, Berlin-Karlshorst (Monographien historischer Orgeln 5), Berlin 1991 ⋄ www.amalien-orgel.de ⋄ Eigener Befund.

Nr. 76 | Diese Orgel habe ich am 18.10.1999 gespielt und von dem damaligen Organisten Roland Münch gezeigt bekommen.
© Dr. Gabriel Isenberg | Letzte Änderung: 09.01.2025.