Hatzfeld, Emmauskapelle

Orgel von Johann Christian Rindt (Hatzfeld), 1706, seit 1872 in der Emmauskapelle.


Bildersammlung Gabriel Isenberg (Bildquelle unbekannt)
Bildersammlung Gabriel Isenberg (Bildquelle unbekannt)

Die romanische „Emmauskapelle“ in Hatzfeld (Eder) wurde im 12. Jahrhundert als Teil des befestigten Großen Hofs zu Niederhatzfeld, dem Sitz der Herren zu Hatzfeld, erbaut und war dem Heiligen Cyriacus geweiht. Mit dem Bau der ummauerten Stadt Hatzfeld Mitte des 14. Jahrhunderts erlosch die Siedlung Niederhatzfeld im Laufe der folgenden Jahrhunderte bis zum Dreißigjährigen Krieg, und die Cyriacus-Kirche wurde als Begräbniskapelle der Bürger von Hatzfeld genutzt. In den 1860er Jahren erfolgten mehrere Umbauarbeiten am Gebäude, und in diesem Zuge erhielt die Kapelle auch ihre erste Orgel.

Für die „neue“ Hatzfelder Stadtkirche St. Johannes hatte man bereits 1664 ein kleines Orgelregal angeschafft und 1686 eine neue Orgel mit vier Stimmen „von höltzernen Pfeiffen“ von dem Orgelbauer Conrad Schmitt aus Kirdorf gekauft.

Im Jahr 1706 erhielt die Stadtkirche eine neue Orgel – ein Werk des 1672 in Hatzfeld geborenen Orgelmachers Johann Christian Rindt. Beim Bau verwendete Rindt auch Pfeifenwerk und Gehäuseteile einer älteren Orgel wieder – möglicherweise aus dem Vorgängerinstrument von Schmitt. Aus diesem Bestand stammen die Register Groß Gedact 8' und Principal 4', die bis heute erhalten sind. Die laut Gehäuseinschrift 1733 erfolgte Renovierung der Hatzfelder Orgel dürfte ebenfalls auf Rindt zurückgehen. Aus einem Inventarverzeichnis von 1805 wissen wir, dass die Rindt-Orgel mit ihren sieben Registern in der Stadtkirche auf der Empore in der Brüstung stand, was angesichts des noch heute sichtbar hoch aufragenden Untergehäuses plausibel erscheint – die drei Bälge befanden sich damals auf dem Dachboden der Kirche.

Im Jahr 1871 erhielt die Stadtkirche St. Johannes eine neue Orgel (I+P/9) von dem Treisbacher Orgelbauer Heinrich Dickel. Dieser hatte zuvor 1868 die Rindt-Orgel dort abgebaut und schließlich (nach dem Abschluss von Kapellen-Umbauarbeiten) 1872 in der Emmauskapelle wieder aufgestellt – eine Balginschrift bezeugt: „Im Jahr Christi 1872 ist die alte Orgel von Orgelbauer P. Dickel aus Treisbach in die Todten Kirche gestellt worden d. 14 August.“ Bei der Umsetzung fertigte Dickel unter Verwendung alter Teile eine neue Spielanlage und eine neue Spiel- und Registermechanik. Hinter der Orgel, die nun auf einem hölzernen Podest hinter dem Altar stand, befand sich die Balganlage mit zwei großen Bälgen. Die drei kleinsten Register – Quinte 3', Terz 1 3/5' und Octave 1' – fasste Dickel mit einem Registerzug zu einer Mixtur zusammen; zu einem späteren Zeitpunkt wurden diese Pfeifenreihen ganz entfernt. 1919 führte vermutlich August Hardt (Möttau) eine Reparatur der Orgel durch.

Erstmals 1950 wurde in der Öffentlichkeit auf den hohen historischen Wert des Instruments aufmerksam gemacht; besonders hervorzuheben ist dabei das Verdienst des Orgelforschers Dieter Schneider aus Biedenkopf, durch dessen Engagement es schließlich möglich war, im Zuge der umfassenden Kirchenrestaurierungs- und -wiederherstellungsarbeiten 1979/80 auch eine Restaurierung der Orgel durchzuführen. Nach der Auslagerung des Instruments erfolgte in den Jahren 1981 bis 1984 die gewissenhaft durchgeführte Restaurierung und Rückführung der Orgel durch die Marburger Orgelbauwerkstätte von Gerald Woehl. Die noch erhaltenen Bestandteile wurden sorgfältig instandgesetzt und fehlende Pfeifen und andere Elemente nach historischen Vorbildern rekonstruiert. Die Arbeiten wurden außerdem durch die Orgelsachverständigen Peter Albrecht und Hans Martin Balz wissenschaftlich begleitet und  unterstützt.

Das Hatzfelder Instrument stellt heute das einzige noch erhaltene Werk Johann Christian Rindts dar und ist zugleich die älteste noch klingende Orgel Nordhessens. Zu ihren Besonderheiten gehören neben dem reich verzierten barocken Orgelprospekt die (auch bei den zwischenzeitlichen Veränderungen nie erweiterte) kurze Oktav, die mitteltönige Stimmung und die drei noch mit dem Fuß zu betätigenden Keilbälge (eine elektrische Windanlage ist allerdings auch vorhanden).

Das an der rechten Seite in die Orgel eingebaute Spieltischgehäuse ist (außer der Klaviatur) noch original erhalten. Hierzu zählen sowohl die wertvollen Intarsienarbeiten über dem Manual wie auch der originale Klaviaturdeckel mit schmiedeeisernen Scharnieren samt Schloss und ein Balken mit eingeritzten Kritzeleien. Über dem Notenpult (Rückseite des hochgeklappten Klaviaturdeckels) sind die Registerzüge in einer Reihe angeordnet.

MANUAL | C/E–c³

Principal 4

Groß Gedact 8

Octav 2

Gedact 4

Quint 3

Tertia [1 3/5']

Super Octav 1

Mechanische Schleiflade.

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D-35116 Hatzfeld (Eder) | Am Friedhof 1


Quellen und Literatur: Hans Martin Balz, Die Rindt-Orgel von 1706 in Hatzfeld und ihre Wiederherstellung, in: Acta Organologica 22, 1994, S. 223–248 ⋄ Gerald Woehl, Die Orgel in der Emmauskapelle in Hatzfeld (mit einem Beitrag von Hans Martin Balz), Hatzfeld 1984 ⋄ Frdl. Mitteilung Dieter Schneider ⋄ Eigener Befund.

Nr. 49 | Diese Orgel habe ich am 31.03.1999 zusammen mit Dieter Schneider besucht.
© Dr. Gabriel Isenberg | Letzte Änderung: 09.01.2025.