Hattingen, St. Georg

Orgel von Christian Roetzel (Eckenhagen), 1829/30.


© Gabriel Isenberg, 05.04.2019
© Gabriel Isenberg, 05.04.2019

Die aus der Zeit um 1200 stammende Georgskirche im historischen Stadtkern von Hattingen wurde im Laufe der Jahrhunderte immer wieder verändert. In ihrer heutigen Form geht sie im Wesentlichen auf die umfangreichen Umbaumaßnahmen in den Jahren 1807–10 zurück, bei denen unter anderem das Gewölbe durch eine neue tonnenförmige Holzdecke ersetzt und die barocke Innenausstattung entfernt wurde. Weitere Veränderungen erfolgten 1850 und 1954.

Bereits vor 1607 muss es in der Kirche eine Orgel gegeben haben, denn in diesem Jahr wird der Organist und Orgelbauer Peter Alberdts (Alberti) aufgeführt, „nachdem die Orgel eine Zeit lang nicht gespielt und von ihm repariert“ worden war. Durch jenen Peter Alberti – den 1670 verstorbenen „Stammvater“ der über mehrere Generationen später in Dortmund wirkenden Orgelbauerfamilie – wurde nach 1634 auch eine ganz neue Orgel gebaut, die in den folgenden Jahrhunderten mehrfach Veränderungen und Reparaturen erfuhr, unter anderem 1749 durch Henrich Streffing und nach Ende der französischen Belagerung im Jahr 1762 durch einen namentlich nicht genannten Orgelbauer.

Nach dem Umbau der Kirche gab es 1822 die ersten Pläne zum Bau einer neuen Orgel, für die schließlich am 18. Februar 1826 der Vertrag mit dem Orgelbauer Christian Roetzel aus Alpe bei Eckenhagen unterzeichnet wurde. Die Fertigstellung des Instruments verzögerte sich durch Schwierigkeiten vonseiten der Gemeinde um mehrere Jahre, so dass Roetzel erst in der zweiten Jahreshälfte 1829 mit der Aufstellung der Orgel in der Kirche beginnen und ein Jahr später, am 24. September 1830, die abschließende Revision der fertigen Orgel durch Musikdirektor Günter aus Dortmund vorgenommen werden konnte. Das klassizistische Orgelgehäuse und die Empore über Kanzel und Altar waren von dem preußischen Bauinspektor Philippi entworfen worden.

Fast hundert Jahre lang blieb die Roetzel-Orgel unverändert. Aus dem Jahr 1885 ist ein Kostenangebot für eine Reinigung der Orgel durch den Orgelbauer Wilhelm Sauer aus Frankfurt/Oder erhalten. Der erste verändernde Eingriff war die Ablieferung der Prospektpfeifen für die Rüstungsindustrie des Ersten Weltkriegs im Jahr 1917; anstelle der von Paul Faust (Barmen) ausgebauten Pfeifen verhängte man den Prospekt mit dunklem Tuch. Erst 1934 erfolgte durch Faust der Ersatz der fehlenden Prospektpfeifen durch neue Zinkpfeifen. Bei dieser Gelegenheit wurden auch andere Veränderungen beschlossen, die 1937 zur Ausführung kamen – dabei handelte es sich im Wesentlichen um den Einbau neuer Zungenregister, u. a. eines Fagott 16' auf einer Windladenerweiterung.

Einschneidende Eingriffe nahm der Hattinger Orgelbauer Alfred Raupach in Kooperation mit der Orgelbauwerkstatt Bosch in Kassel im Jahr 1959 vor. Wenngleich die Maßnahmen aufgrund eingeschränkter finanzieller Mittel nicht im vollen Umfang ausgeführt werden konnten, gingen dadurch etliche historische Bestandteile der Orgel verloren. Unter anderem erhielt die Orgel einen neuen Spielschrank und eine neue Mixtur; die Intonation wurde verändert. Weitere Veränderungen nahm Raupach 1964 mit dem Einbau neuer Zungenregister sowie der Erweiterung der Pedalklaviatur (jetzt bis f¹ statt c¹) vor.

Noch gravierender waren die nach damaligen denkmalpflegerischen Maßstäben durchgeführten Restaurierungsarbeiten durch die Fa. Gustav Steinmann (Vlotho) im Jahr 1977, bei der u. a. die alten Eichenholz-Windladen von Roetzel entfernt und durch neue ersetzt wurden. Aus akustischen Gründen wurde der gesamte innere Aufbau der Orgel verändert, wodurch auch die Trakturführung erneuert werden musste. Durch neue Verkleidungen und eine Rückwand erhielt die gesamte Orgel ein zu allen Seiten geschlossenes Gehäuse. Nach diesen Maßnahmen waren noch 25 Register mehr oder weniger original von Roetzel erhalten, zwölf davon teilweise verändert oder erweitert.

Im Rahmen einer erneuten Teilrestaurierung durch die Orgelbauwerkstatt Harm Kirschner (Weener/Ems) im Jahr 2014 strebte man eine behutsame Annäherung der Orgel wieder an den Originalzustand an. Unter anderem wurde die neobarocke Hauptwerks-Mixtur von Raupach entfernt und unter Verwendung der alten Mixturpfeifen rekonstruiert, die Raupach für die Zusammenstellung eines Hinstersatz-Registers im Pedal verwendert hatte. Außerdem wurde im Pedal die verlorene Trompete 8’ nach einem originalen Vorbild neu hergestellt, und die Prospektpfeifen rekonstruierte Kirschner ebenfalls nach Roetzels Vorbild. Das Gemshorn wurde in die originale 4'-Lage zurückversetzt. Schließlich erfolgte eine komplette Neuintonation.

Die Hattinger Orgel weist durch ihren reichen Registerfundus eine sehr vielfältige und farbige Disposition auf. Neben den Instrumenten in » Oberfischbach und Kierspe gehört die Hattinger Roetzel-Orgel zu den am besten erhaltenen Werken dieses Orgelbauers.

Unter dem mittleren großen Pfeifenfeld ist der Spieltisch eingebaut. Von vorne gesehen blickt der Spieler nach rechts. An der linken Seite neben der komplett erneuerten Spielanlage sind die Registerzüge angeordnet: oben für das Oberwerk, darunter Hauptwerk und Pedalwerk. Über der Pedalklaviatur sind die drei Koppel-Hakentritte zu finden.

I. HAUPTWERK | C–g³

Bordun 16'

Prinzipal 8'

Bordun 8'

Gedackt 8'

Viola da Gamba 8'

Oktave 4'

Gemshorn 8'

Flauto dolce 4'

Quinte 2 2/3'

Oktave 2'

Kornett 4f. [ab c¹]

Mixtur 3-5f.

Fagott 16'

Trompete 8'

Koppel II-I

II. OBERKWER | C–g³

Prinzipal 8'

Viola d'amour 8'

Gedackt 8'

Oktave 4'

Gedacktflöte 4'

Flauto traverso 4'

Quinte 2 2/3'

Oktave 2'

Mixtur 3f.

Oboe 8'

Tremulant

PEDAL | C–f¹

Subbass 16'

Violon 16'

Prinzipal 8'

Oktave 4'

Posaune 16'

Trompete 8'

Trompete 4'

Koppel II-P

Koppel I-P


Mechanische Schleiflade.

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D-45525 Hattingen | Kirchplatz


Quellen und Literatur: Franz G. Bullmann, Die rheinischen Orgelbauer Kleine-Roetzel-Nohl, Teil I, Giebing 1969, S. 96f ⋄ Die Roetzel-Orgel der St.-Georgs-irche zu Hattingen. Festschrift anlässlich der Wiedereinweihung am 25. Oktober 2014 ⋄ Eigener Befund.

Nr. 110 | Diese Orgel habe ich am 23.08.2000 zum ersten Mal gespielt.
© Dr. Gabriel Isenberg | Letzte Änderung: 09.01.2025.