Orgel von Orgelbau Goll (Luzern), 2006.
Die am 17. Dezember 1911 geweihte Liebfrauenkirche im Süden von Hamm – ein Werk des Hannoveraner Architekten Maximilian Jagielski – löste eine nur zwölf Jahre zuvor erbaute Vorgängerkirche ab, die aufgrund der rasch anwachsenden Zahl der Gemeindemitglieder zu klein geworden war. In den ersten Jahrzehnten war eine Orgel in Verwendung, über die wir keine genaueren Informationen haben – sie kam 1935 als Geschenk an die Liboriuskirche auf dem Daberg in Hamm.
Mit großem Engagement hatte man sich in der Liebfrauengemeinde für eine neue große Orgel eingesetzt, die von der Orgelbauanstalt Anton Feith in Paderborn in zwei Bauabschnitten gebaut wurde.
Der erste Bauabschnitt, dermit zwei Manualwerken und Pedal 32 Register umfasste, konnte zum Osterfest 1935 eingeweiht werden. Im Sommer 1936 war die Orgel mit dem zweiten Bauabschnitt komplettiert – mit drittem Manualwerk und Fernwerk zählte die Disposition nun 46 klingende Register.
Doch nur vier Jahre lang konnte die große Orgel in dieser Form in der Liebfrauenkirche erklingen: Die Kirche wurde am 8. September 1940 durch einen Luftangriff als erste deutsche Kirche im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt. Allerdings konnte man die Orgel größtenteils retten, denn die zwischenzeitlich im Hafen ausgelagerten Teile fanden in der nach Kriegsende in der Alleestraße errichteten Notkirche wieder Aufstellung.
In den folgenden Jahren stellte die Gemeinde die Liebfrauenkirche in vereinfachten Formen wieder her. Bei der Wiedereinweihung am 16. August 1953 erklang auch die Feith-Orgel wieder, die nun in veränderter Form durch die Orgelbaufirma Gebr. Stockmann mit 44 Registern in Altarnähe ihren Platz fand.
1977 versetzte die Fa. Gebr. Stockmann die Orgel in neuer Form – mit neuem Gehäuse, elektrisch gesteuerten Schleifladen und mit durch sechs Register ergänzter neobarock umgestalteter Disposition – auf die neue, im Westwerk der Kirche errichtete Empore. Das so erneuerte Instrument wurde am 28. Januar 1978 eingeweiht und umfasste nun 43 klingende Register.
Mit der 1992 fertiggestellten, charakteristischen Doppelturmfassade erfuhr die Beseitigung der Kriegszerstörungen an der Liebfrauenkirche ihren endgültigen Abschluss. Es folgte im Jahr 2005 eine umfassende Neugestaltung des Kirchen-Innenraums. In diesem Zuge verkaufte man die Feith/Stockmann-Orgel und stellte sie in renovierter und restaurierter Form in der katholischen Pfarrkirche Zum göttlichen Heiland in Dortmund-Wickede wieder auf.
Die Liebfrauenkirche in Hamm erhielt ein neues Instrument der Orgelbauwerkstatt Goll aus Lurzern mit 52 Registern, das überregional große Beachtung fand – eingeweiht am 1. Oktober 2006. Die Gesamtkonzeption des Werks orientiert sich an der Orgelstilistik der französischen Romantik, ohne diese jedoch zu kopieren. Die Goll-Orgel überzeugt durch ihre vielfältigen Klangfarben, die sich in der klaren Akustik des Kirchenraums optimal entfalten. Im Hauptgehäuse ist oberhalb der zentral eingebauten Spielanlage das Hauptwerk positioniert, flankiert durch die beiden großen Außenfelder des in C- und Cis-Seite aufgeteilten, üppig besetztten Positiv-Werks. Hinter dem Hauptwerk steht das Pedalwerk und ganz hinten (oberhalb der Balganlage) das Schwellwerk. Die Spielanlage ist mit den nach Werken und Registergruppen angeordneten Registerzügen links und rechts sehr übersichtlich und intuitiv bedienbar gestaltet. Der Prospekt nimmt mit seinen dezenten Farben des Schleierwerks Bezug auf die Farbgebung des Kirchenraums.
I. HAUPTWERK | C–a³
Principal 16'
Praestant 8'
Doppelflöte 8'
Rohrflöte 8'
Viola da Gamba 8'
Octave 4'
Spitzflöte 4'
Grosse Terz 3 1/5'
Quinte 2 2/3'
Octave 2'
Mixtur IV-V 1 1/3'
Cornett V 8'
Fagott 16'
Trompete 8'
Tremulant
III–I
II–I
II. POSITIV | C–a³
Bordun 16'
Principal 8'
Gedackt 8'
Salicional 8'
Octave 4'
Koppelflöte 4'
Nasard 2 2/3'
Quarte de Nasard 2'
Terz 1 3/5'
Larigot 1 1/3'
Mixtur IV 1'
Cromorne 8'
Tremulant
III–II
III. SCHWELLWERK | C–a³
Viola pomposa 16'
Flûte harmonique 8'
Bourdon 8'
Gambe 8'
Voix céleste 8'
Flûte octaviante 4'
Viole d'amour 4'
Octavin 2'
Echocornett III 2 2/3'
Plein jeu II-V 2'
Bombarde 16'
Trompette harmonique 8'
Basson-Hautbois 8'
Voix humaine 8'
Clairon harmonique 4'
Tremulant
III 16' – III [durchkoppelnd]
PEDAL | C–f¹
Contrabass 32'
Principal 16'
Subbass 16'
Violonbass 16'
Octavbass 8'
Gedacktbass 8'
Violoncello 8'
Octave 4'
Posaune 16'
Trompete 8'
Clairon 4'
III–P
II–P
I–P
Elektronische Setzeranlage, abschließbar, mit Sequenzern, Koppeltritte korrespondierend.
Scheiflade mit mechanischer Spiel- und elektrischer Registertraktur.
D-59063 Hamm | Liebfrauenweg 2
Quellen und Literatur: Orgelbau Goll ⋄ Eigener Befund.
Nr. 683 | Diese Orgel habe ich am 27.10.2024 im Rahmen eines Konzerts gespielt.
© Dr. Gabriel Isenberg | Letzte Änderung: 11.11.2024.
www.orgelsammlung.de
© Dr. Gabriel Isenberg, 2023