Orgel von Friedrich Fleiter (Münster), 1888.
In der nach 1601 auf den Grundmauern der abgebrannten Vorgängerkirche erbauten St.-Bartholomäus-Kirche in Essen (Oldenburg) war auch eine Orgel vorhanden, für die erstemals 1651 in einem Visitationsdekeret ein Organist erwähnt wird. Nach späteren Nachrichten aus dem 17. und frühen 18. Jahrhundert muss es sich bei dem Instrument um eine „sehr alte“ Orgel mit sechs Registern gehandelt haben.
1716 erfolgte auf einer neuen Empore in der Nähe des Chores ein Orgelneubau durch Mauritz Hermann Böntrup aus Vreden mit 11 Registern und 4 Bälgen. 1723 erneuerte Johann Adam Berner (Osnabrück) die Balganlage. Joseph Mencke (Osnabrück) führte 1759 eine größere Instandsetzung aus und versetzte die Orgel innerhalb der Kirche. Eine Reinigung und Reparatur mit Anfertigung einer neuen angehängten Pedalklaviatur und Versetzung der Bälge durch den Orgelbauer Anton Franz Schmid aus Quakenbrück ist für das Jahr 1825 verzeichnet.
1870 bis 1875 wurde die heutige, neugotische St.-Bartholomäus-Kirche gebaut. Sie ist ein Bau des Architekten Johann Bernhard Hensen aus Sögel und ist – anders als üblich – in Nord-Süd-Richtung ausgerichtet. Die alte Orgel wurde zunächst in die neue Kirche übertragen, befand sich aber in schlechtem Zustand – nur vier Register waren spielbar.
1888 erfolgte der Bau der bis heute erhaltenen Orgel durch Friedrich Fleiter in Münster – sein bis dahin mit 34 Registern größtes Werk. Bemerkenswert ist die ausgeführte Disposition, die – für die Zeit untypisch – auch etliche Stimmen in hohen Fußtonlagen enthielt, z. B. die Blockflöte 1' im Pedal. Am 7. Februar 1888 nahm Domorganist Bernhard Hüls aus Münster die fertige Orgel ab.
Um Platz für den Chor auf den Empore zu schaffen, wurde die Orgel 1928 durch die Fa. Fleiter umgebaut. Dabei wurde die neugotische Gehäusefront entfernt und die Orgel um 90° gedreht in den Turmraum hinein versetzt. Durch die veränderte Aufstellung musste auch die Spiel- und Registertraktur des Pedals verändert werden. Eine kleinere Reparatur erfolgte 1972 durch die Fa. Alfred Führer (Wilhelmshaven).
1986 fand eine Restaurierung durch Orgelbau Alfred Führer (Wilhelmshaven) statt, bei der die originale Situation wiederhergestellt wurde. Werner Haselier aus Friesoythe begleitete die Maßnahmen als Orgelsachverständiger. Da weder Zeichnungen noch Fotos des ursprünglichen Gehäuses erhalten sind, orientierte man sich bei der Rekonstruktion des Gehäuses an vergleichbaren Instrumenten von Fleiter, v. a. an der etwa zeitgleich entstandenen „kleineren Schwester-Orgel“ in Lindern. Die Verzierungen gestaltete Bildhauermeister Martin Böttcher. Die bis dahin unverändert erhaltene Disposition blieb bestehen, nur einzelne beschädigte Diskantpfeifen mussten erneuert werden, und der Pedalumfang wurde auf Wunsch des Organisten um zwei Töne bis d¹ erweitert.
Nach dem Konkurs der Orgelbauwerkstatt Führer 2004 übernahm der ehemalige Mitarbeiter Johannes Dieter Poll (Cäciliengroden) die Pflege der Orgel, heute ist die Orgel bei Martin Cladders (Badbergen) in Pflege.
Die Essener Orgel ist die größte unverändert erhaltene historische Orgel in Südoldenburg und neben der Orgel in der St.-Mauritz-Kirche in Münster eine der bedeutendsten erhaltenen Orgeln aus der „vor-pneumatischen“ Bauperiode der Orgelbauwerkstatt Fleiter.
I. UNTERWERK | C–f³
Quintatön 16'
Lieblich Gedackt 8'
Salicional 8'
Vox coelestis 8' [ab cº]
Principal 4'
Flaut dolce 4'
Waldflöte 2'
Nachthorn 1'
Cornet 4f. 4' [ab gº]
Clarinette 8'
II. HAUPTWERK | C–f³
Principal 16'
Bordun 16'
Prinzipal 8'
Viola da Gamba 8'
Flaut major 8'
Hohlflöte 8'
Octav 4'
Rohrflöte 4'
Quinte 2 2/3'
Octav 2'
Terz 1 3/5'
Mixtur 4f. 1 1/3'
Cymbel 2f. 1/2'
Trompet 8'
Koppel I–II
PEDAL | C–d¹
Contrebaß 16'
Subbaß 16'
*Principalbaß 8'
Violoncell 8'
*Quintbaß 5 1/3'
*Octavbaß 4'
*Blockflöte 1'
*Posaune 16'
*Trompete 8'
*Clairon 4'
Pedalkoppel [an II, durchkoppelnd]
Tremulant (auf das ganze Werk), Pedal Forte [= Sperrventil für die oben mit * markierten Register].
Mechanische Schleiflade.
D-49632 Essen (Oldb.) | Am Kirchplatz
Quellen und Literatur: Winfried Schlepphorst, Der Orgelbau im westlichen Niedersachsen, 1975, S.98–99 ⋄ Fritz Schild, Zwei Orgeln wieder am alten Platz. Die Orgel der kath.
Pfarrkirche St. Bartholomäus zu Essen (Oldenburg) und die Orgel der kath. Pfarrkirche St. Katharina zu Willich (Rheinland), in: Acta Organologica 22, 1991, S. 339–358 ⋄ Fritz Schild,
Denkmal-Orgeln. Dokumnetation der Restaurierung durch Orgelbau Führer 1974–1991, Teil 1, Wilhelmshaven 2005, S. 348–357 ⋄ Fritz Schild: Orgelatlas der historischen und modernen Orgeln im Gebiet
der Kath. Kirche im Oldenburger Land, 2011 (unveröff.), S. 96 f ⋄ Orgelsachverständigen-Unterlagen des BMO Vechta ⋄ Eigener Befund.
Nr. 543 | Diese Orgel habe ich zum ersten Mal am 14.01.2020 besucht.
© Dr. Gabriel Isenberg | Letzte Änderung: 08.09.2023.
www.orgelsammlung.de
© Dr. Gabriel Isenberg, 2023