Essen, Münsterkirche (Essener Dom)

Orgel von Orgelbau Rieger (Schwarzach), 2004.


© Gabriel Isenberg, 24.08.2022
© Gabriel Isenberg, 24.08.2022

Die Essener Münsterkirche geht auf die Gründung des dortigen Damenstifts zurück, das um das Jahr 845 durch den Adeligen Bischof Altfried von Hildesheim auf dem Gut Astnidhi (Essen) gegründet worden war. Die erste Kirche wurde im 11. Jahrhundert durch eine spätottonische Basilika ersetzt, von der bis heute bedeutende Teile erhalten sind. 1316 fand die Weihe der gotischen Stiftskirche statt. In den Neubau bezog man den erhalten gebliebenen Westbau und die Außenkrypta mit ein. Ein Jahrhundert später errichtete man einen großen Turm über der Vierung. Dieser gotische Teil wurde im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerbombt und nach dem Kriegsende erneuert. Mit Errichtung des Bistums Essen am 1. Januar 1958 wurde das „Münster am Hellweg“ Kathedral- und damit Bischofskirche. Bedeutende Kunstwerke des Doms sind u. a. die „Goldene Madonna“ und der „Siebenarmige Leuchter“.

Bereits für das 14. Jahrhundert lässt sich die Existenz einer Orgel in der Münsterkirche nachweisen. Im Jahr 1442 baute ein Meister Johann eine neue Orgel. 1544 folgte der Bau einer großen Orgel durch Johann Brauckmann und Hermann Fryssche, die im Laufe der Jahrhunderte mehrfach verändert wurde.

Im Rahmen einer barockisierenden Umgestaltung der Stiftskirche baute Georg Wilhelm Steffen in den Jahren 1779–84 eine neue Orgel, die aber nicht von nachhaltiger Qualität gewesen zu sein scheint. So bemühte man sich recht bald um den Um- bzw. gänzlichen Neubau der Münsterkirchenorgel, wozu man den Orgelbauer Franz Joseph Epmann beauftragte. Bis zur Vollendung dieser Orgel durch Epmann im Jahr 1816 war es jedoch ein langer Weg. Eine größere Reparatur führte der Kölner Orgelbauer Engelbert Maaß im Jahr 1828 durch. 1883/84 kam es zu einem umfassenden pneumatischen Umbau der Epmann-Orgel durch den Paderborner Orgelbauer Rudolf Randebrock. Die bis dahin im Westchor positionierte Orgel kam nach Beseitigung des Gräfinnenchores nun auf eine im nördlichen Arm des Querschiffs neu erbaute Bühne.

Gerade einmal zehn Jahre hatte die Orgel nach dem Umbau Randebrocks Bestand, sie wurde 1895 durch eine neue Orgel aus der Werkstatt Ernst Seifert in Köln ersetzt, bei der unter den 38 Registern jedoch auch einige noch aus dem Vorgängerinstrument übernommen wurden. Die Seifert-Orgel ging im Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs verloren. Daraufhin errichtete die Orgelbauwerkstatt Johannes Klais (Bonn) in der wiederhergestellten Münsterkirche 1948 zunächst ein kleines Instrument. Diese konnte den musikalischen Anforderungen aber nicht mehr genügen, nachdem die Münsterkirche 1958 zur Bischofskirche erhoben worden war. Bischof Franz Kardinal Hengsbach annullierte höchstpersönlich den bereits bestehenden Neubauauftrag an die Fa. Klais und beauftragte die Orgelbauwerkstatt E. F. Walcker & Cie. (Ludwigsburg) mit dem Orgelneubau, der noch im gleichen Jahr ausgeführt werden konnte. Wegen der schwierigen akustischen Verhältnisse wurde die Hauptorgel auf der Nordempore neben der Altarinsel durch ein Fernwerk an der südlichen Westwand ergänzt. Die gesamte Anlage verfügte über 54 Register auf vier Manualen und Pedal.

2004 wurde die Orgel durch Orgelbaumeister Siegfried Sauer (Höxter) nach Weeze (Niederrhein), St. Cyriakus, übertragen, wo sie komplett überholt, mit neuem Gehäuse und neuem Spieltisch 2006 aufgestellt wurde. Der Dom indes erhielt eine neue Orgel von der Fa. Orgelbau Rieger (Schwarzach) mit 69 Registern, wiederum verteilt auf Hauptorgel (57 Register) und Auxiliaire (12 Register). Sie wurde am 2. April 2004 eingeweiht.

Für eine bessere Klangabstrahlung in den Kirchenraum wurden die Werke der Hauptorgel anders angeordnet als beim Vorgängerinstrument und insgesamt weiter vorgezogen. Das Hauptwerk liegt direkt über dem asymmetrisch rechts in das Unterghäuse eingebauten Spieltisch. Dahinter befindet sich das Schwellwerk, dessen Klang durch die zusätzliche Anordnung der seitlichen Schwellrippen nicht nur nach vorne, sondern auch in Richtung des Altarraums strahlt. Linksseitig wird das Hauptwerk von den Windladen und den horizontal, ebenfalls zweiseitig angeordneten Schwellrippen des Positivwerks begrenzt. Hauptwerks-, Positiv- und Schwellwerks-Windladen liegen auf derselben Höhe, lediglich die Windladen des Pedals sind auf niedrigerem Niveau rechts neben bzw. hinter dem Spieltisch platziert. Um die verfügbare Höhe besser nutzen zu können, sind alle drei Manualwerke jeweils in Bass- und Diskantladen geteilt. Die Pedalladen stehen auf Sturz mit diatonischer Pfeifenanordnung. Etwas unüblich ist die Anordnung der größten Pfeifen des labialen 32’: Die tiefsten sechs Pfeifen des Untersatz 32’ sind im Unterbau unterhalb des Schwellwerks liegend übereinander angeordnet und sprechen in das Pedalwerk. Die restlichen Pfeifen des 32’ und die tiefsten Pfeifen des Pedal Principal 16’ aus Holz liegen knapp unterhalb des Deckengewölbes auf dem Dach der beiden Schwellwerke. Die Winddrücke der einzelnen Werke sind mit 85 mm WS für das Hauptwerk, mit 90 mm WS für das Positiv, mit 95 mm WS für das Schwellwerk und mit 90 mm WS für das Pedal festgelegt.
Die Spieltraktur und die Normalkoppeln der Hauptorgel sind rein mechanisch ausgeführt, wobei die Koppelanlage durch diverse elektropneumatisch gesteuerte Oktavkoppeln erweitert ist. Ebenfalls elektropneumatisch vom vierten Manual des Spieltischs angesteuert wird das aus 12 Registern bestehende Auxiliairewerk, wobei die einzelnen Teilwerke auch frei auf alle Manuale gelegt werden können. Zusätzlich kann das Auxiliairewerk von einem einmanualigen mobilen Spieltisch im hinteren Bereich des Doms gespielt werden. Das Auxiliairewerk besteht aus Principalwerk (95 mm WS), schwellbarem Hochdruckwerk (190 mm WS), Bombardwerk (95 mm WS) und Pedalwerk (120 mm WS).

Die Registerzüge sind in der Spielanlage links und rechts neben Notenpult und Manualen angeordnet. Die Koppeln sind außerdem als Pistons für die Füße vorhanden. Als Zugknauf des Kalkantenzugs ist der geschnitzte Kopf von Dompropst Günter Berghaus zu erkennen. Die Bedienfelder für die Setzeranlage befinden sich unter dem ersten und über dem vierten Manual. Sequenzerschalter sind an mehreren Stellen, auch für Registranten gut erreichbar, untergebracht.

I. HAUPTWERK | C–c⁴
Principal 16'
Principal 8'
Metallgedackt 8'
Flûte harm. 8'
Gamba 8'
Octave 4'
Blockflöte 4'
Quinte 2 2/3'
Superoctave 2'
Mixtur major 2'
Mixtur minor 1 1/3'
Cornet 8'
Trompete 16'
Trompete 8'
Koppel III–I el.
Koppel II–I el.
Koppel III–I 16'
Koppel II–I 16'
Koppel IV–I
Koppel III–I
Koppel II–I

II. POSITIV (expr.) | C–c⁴
Bourdon 16'
Principal 8'
Holzgedackt 8'
Salicional 8'
Unda maris 8'
Prestant 4'
Rohrflöte 4'
Doublette 2'
Sesquialtera II 2 2/3'
Larigot 1 1/3'
Scharff IV 1'
Cromorne 8'
Clarinette 8'
Tremulant
Koppel IV–II
Koppel III–II
Koppel III–II el.
Koppel II–II 16'

III. SCHWELLWERK | C–c⁴
Gemshorn 16'
Bourdon 8'
Hohlflöte 8'
Voix céleste 8'
Viola 8'
Aeoline 8'
Principal 4'
Fugara 4'
Traversflöte 4'
Nazard 2 2/3'
Octavin 2'
Tierce 1 3/5'
Sifflet 1'
Fourniture III–V 2 2/3'
Basson 16'
Trompette harm. 8'
Hautbois 8'
Clairon harm. 4'
Voix humaine 8'
Tremulant
Koppel IV–III
Koppel III–III 16'

PEDAL | C–g¹
Untersatz 32'
Principal 16'
Subbass 16'
Principal 8'
Gedackt 8'
Cello 8'
Choralbass 4'
Bombarde 16'
Fagott 16'
Posaune 8'
Klarine 4'
Koppel IV–P
Koppel III–P
Koppel II–P
Koppel I–P
Koppel III–P 4'
Koppel II–P 4'


IV. AUXILIAIRE | C–c⁴
PRINCIPALWERK
Principal 8'
Octave 4'
Superoctave 2'
Mixtur III 1 1/3'

 

HOCHDRUCKWERK (expr.)
Doppelflöte 8'
Cornet V 8'
Tuba 8'

 

BOMBARDWERK
Bombarde 16'
Bombarde 8'
Bombarde 4'

 

PEDAL (C – g¹)
Gedecktbass 16'
Gedecktbass 8'


Elektrische Kopplung des Auxiliaire auf I, II, III oder Pedal; Pedalbelegung auf I, II, III, IV (dann Register im Pedal inaktiv).

Elektronische Setzeranlage (8x125) mit je zwei Inserts (A, B) und Sequenzern, vier programmierbare Registercrescendi, 16 ID-Karten zur Registrierungsspeicherung, Digitalanzeigen für Setzer, Crescendo, Schweller.

Schleiflade, mechanische Spieltraktur (mit elektropneumatisch gesteuerten Oktavkoppeln), elektropneumatische Ansteuerung des Auxiliarwerks, elektrische Registertraktur.

Inhalte von Google Maps werden aufgrund deiner aktuellen Cookie-Einstellungen nicht angezeigt. Klicke auf die Cookie-Richtlinie (Funktionell), um den Cookie-Richtlinien von Google Maps zuzustimmen und den Inhalt anzusehen. Mehr dazu erfährst du in der Google Maps Datenschutzerklärung.

D-45127 Essen | An St. Quintin 3


Quellen und Literatur: Sämtliche Orgelakten im Münsterarchiv Essen ⋄ Festschrift zur Weihe der neuen Orgel im Hohen Dom zu Essen, Essen 2004 ⋄ Reiner Schuhenn, Die neue Essener Domorgel, in: Musica Sacra 2004/03, S. 40–41 ⋄ Eigener Befund.

 

Nr. 235 | Diese Orgel habe ich zum ersten Mal am 14.06.2005 im Rahmen meines privaten Orgelunterrichts gespielt.

© Dr. Gabriel Isenberg | Letzte Änderung: 24.11.2024.