Orgel von Romanus Seifert & Sohn (Kevelaer), 1989.
Die aus dem 11. und 15. Jahrhundert stammende, direkt am Rhein gelegene Martinikirche in Emmerich wurde nach starker Kriegszerstörung in veränderter Form wiederaufgebaut. Das Chorgestühl von 1486 und der Taufbrunnen von 1531/35 gehören zu den wertvollsten Einrichtungen der Kirche.
Möglicherweise gab es bereits 1219 eine Orgel in der Martinikirche, im 15. Jahrhundert wird ein Organist genannt. Die 1553 neu erbaute Orgel stammte möglicherweise von Gottfried Mellyß aus Goch.
Auf Gemälden, die um das Jahr 1735 entstanden, ist eine Orgel mit Flügeltüren auf dem Lettner zu erkennen.
Der erste belegte Orgelneubau fand 1780 durch den Orgelbauer Jacob Courtain statt, der sich zu dieser Zeit in Emmerich niedergelassen hatte. Diese Orgel besaß zehn Register auf einem Manual (ohne
eigenständiges Pedal). 1868 wurde mit Melchior Kersting (Münster) der Vertrag für eine neue Orgel geschlossen, der aber von Kersting nicht ausgeführt werden konnte. So kam es 1884 zu einem neuen
Vertragsabschluss mit Julius Rütter in Kevelaer, der 1886 das neue Instrument mit 25 Registern auf zwei Manualen und Pedal fertigstellte. 1938 schaffte die Kirchengemeinde eine neue Orgel von der
Orgelbauanstalt Johannes Klais in Bonn an, die über 41 Register auf drei Manualen und Pedal verfügte. Nachdem dieses Instrument 1944 durch einen Bombenangriff zerstört wurde, standen bis 1989 nur
elektronische Orgeln in der Martinikirche und seit 1978 eine Klais-Truhenorgel in der Krypta.
Im Zuge von Restaurierungsarbeiten in der Kirche sollte auch eine neue Pfeifenorgel angeschafft werden. Die Ausschreibung verlief als Ideenwettbewerb. Den Zuschlag erhielt ein Vorschlag der
Orgelbauwerkstatt Romanus Seifert & Sohn aus Kevelaer, die eine stilistisch sehr vielseitige Disposition mit 44 Registern ausgearbeitet hatte (in Zusammenarbeit mit Ekkehard Stier). Die
Intonation führte Klaus Cuylen (Fa. Seifert) durch. Die Prospektgestaltung wurde nach dem Vorschlag der Architekten Alo Terhoeven und Helmut Flintrop und des Orgelsachverständigen Ekkehard Stier
ausgeführt. Auf den Schleierbrettern sind die vier Elemente dargestellt, darunter sind Worte aus dem Sonnengesang des hl. Franz von Assisi zu lesen. Die Einweihung fand am 16. September 1989
statt.
Als Nebenregister ist das „Nebelhorn“ eingebaut. Bei Betätigung des entsprechenden Zugs fährt ein Schiffsmodell aus dem Prospekt heraus und das durch eine labiale Holzpfeife und eine
durchschlagende Zungenstimme imitierte Nebelhorn erklingt. Hinter den drei mittleren Prospektfeldern befindet sich das Hauptwerk; daneben die beiden Pedaltürme. Das Schwellwerk ist im hinteren
Teil des Gehäuses untergebracht. Das Brustwerk befindet sich direkt über dem Spieltisch und ist durch zwei Türen verschließbar.
In der Spielanlage sind die Registerzüge links und rechts in jeweils zwei Reihen neben dem Notenpult angeordnet (links Pedal und HW, rechts SW und BW). Die Registerzugknäufe sind länglich gebaut,
darauf befindet sich jeweils ein kleiner Drehschalter. Wird dieser Schalter nach innen (Richtung Spieltisch) gedreht, ist das jeweilige Register für die freie Kombination (Appel) vorprogrammiert
– die vorprogrammierten Register können für jedes Werk einzeln durch einen „Appel“-Zug ein- und ausgeschaltet werden. Als Fußtritte sind „General 0“, Appel für die ganze Orgel (pneumatisch),
Glockenspiel und Cymbelstern vorhanden. Trakturen, Koppeln und Spielhilfen sind mechanisch, der General-Appel ist pneumatisch.
I. HAUPTWERK | C–g³
Praestant 16’
Principal 8’
Bifara 8’ ab cº
Doppelflöte 8’
Gamba 8’
Octave 4’
Rohrflöte 4’
Quinte 2 2/3’
Octave 4’
Cornett 5f. ab gº
Mixtur 5f. [1 1/3’]
Scharff 3f. [2/3’]
Trompete 8’
Tremulant
Koppel III–I
Koppel II–I
II. SCHWELLWERK | C–g³
Gedackt 8’
Holzprincipal 8’
Aeoline 8’
Vox coelestis 8’ ab cº
Sing. Principal 4’
Traversflöte 4’
Waldflöte 2’
Terz 1 3/5’
Sifflöte 1’
Fourniture 4f. [2’]
Basson 16’
Hautbois 8’
Clairon 4’
Glocken fº bis d³
Tremulant
Koppel III–II
III. BRUSTWERK | C–g³
Bourdon 8’
Blockflöte 4’
Nasard 2 2/3’
Principal 2’
Terz 1 3/5’
Quinte 1 1/3’
Cymbel 3f. 1/2’
Vox humana 8’
Tremulant
PEDAL | C–f¹
Principal 16’
Untersatz 16’
Quintbaß 10 2/3’
Octave 8’
Gemshorn 8’
Choralbaß 4’
Hintersatz 4f. [2 2/3’]
Posaune 16’
Trompete 8’
Koppel III–P
Koppel II–P
Koppel I–P
Nebelhorn [Ton F], Cymbelstern.
Mechanisch/pneumatische Registervoreinstellung mit additiver Wirkung: Appel-Zug für jedes Werk, General-Appell-Tritt, General 0.
Mechanische Schleiflade.
D-46446 Emmerich am Rhein | Martinikirchgang 3
Quellen und Literatur: A. Jansen, De Orgelmaker Jacob Courtain, in: Maarten Seijbel (Hg.), Twintig verhalen over het orgel en nog wat, deel 1, Elburg, 1998, S. 144–145 ⋄ Paul Seesing, Orgel und Organisten der St.-Martini-Kirchengemeinde Emmerich, Emmerich, 1999 ⋄ Beiheft zur CD: Stefan Burs und Gabriele Natrop-Kepser, Zehn Jahre Seifert-Orgel in St. Martini, Discopartner 1999 (CD) ⋄ Eigener Befund.
Nr. 140 | Diese Orgel habe ich am 15.09.2001 besucht.
© Dr. Gabriel Isenberg | Letzte Änderung: 24.11.2024.
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