Delmenhorst, St. Marien

Orgel von Alfred Führer (Wilhelmshaven), 1961.


© Gabriel Isenberg, 14.03.2025
© Gabriel Isenberg, 14.03.2025

Die erste Kapelle der katholischen Gemeinde in Delmenhorst am Westergang stammte aus dem Jahr 1879 und wurde seelsorglich von Wildeshausen aus betreut. 1891 erhielt diese Kapelle eine kleine Orgel, die von dem Amsterdamer Kaufmann Bahlmann gestiftet wurde. Dabei handelte es sich um ein englisches Instrument, über das aber weiter keine Details bekannt sind.

Am 19. Juli 1903 fand nach rund zweijähriger Bauzeit die Weihe der großen neugotischen St.-Marien-Kirche (auch bekannt als „roter Dom des Nordens“) statt, entworfen von dem Bremer Architekten Heinrich Flügel. In dieser Kirche verwendete man zunächst die englische Orgel aus der alten Kapelle weiter. Eine neue, der Größe der Kirche angemessene Orgel lieferte die Paderborner Orgelbauanstalt Anton Feith im Jahr 1920 – ein 25 Register umfassendes Werk „mit allen Neuerungen“, wie es im Abnahmegutachten von Hauptlehrer Plochg heißt; darin pries er auch Jalousie und Rollschweller, die „in so entzückender Weise [arbeiten], daß die Zuhörer das Gefühl haben, daß in der Tat dem Orgelton das Starre und Unbiegsame genommen ist.“ Kirche und Orgel wurden bei einem Luftangriff am 26. November 1943 durch zwei Bombentreffer völlig zerstört.

Unmittelbar nach dem Krieg begann die Gemeinde mit dem Wiederaufbau der Kirche, der schließlich 1949 vollendet war. Auch die neue große Orgel konnte zur Wiedereinweihung bereits erklingen. Dabei handelte es sich um ein Instrument aus der Orgelbauwerkstatt Gebr. Krell in Duderstadt. Die 53 Register umfassende Disposition verteilte sich auf drei Manualwerke und Pedal sowie ein Fernwerk, das im rechten Querschiff oberhalb des Seiteneingangs aufgestellt war. Die Anschaffung der Orgel war durch eine großzügige Spendenbereitschaft der Gemeindemitglieder ermöglicht worden. Doch führte das verwendete schlechte Nachkriegsmaterial recht bald zu massiven Funktionsstörungen, so dass immer wieder Reparaturen – zunächst durch die Erbauerfirma und ab 1956 durch Orgelbau Alfred Führer (Wilhelmshaven) erfolgen mussten. Doch auch dadurch ließ sich der Bestand des Instruments nicht weiterhin sichern.

Günter Berger, der seit 1955 als Kirchenmusiker an St. Marien in Delmenhorst wirkte, konzipierte in Zusammenarbeit mit Orgelbaumeister Alred Führer (Wilhelmshaven) eine neue Orgel für die St.-Marien-Kirche, in der er seine von dem Orgelwissenschaftler Walter Supper beeinflussten Vorstellungen einer modernen Orgel erstmals verwirklichen konnte. Die Disposition umfasst 47 Register auf Rückpositiv, Hauptwerk, Schwellwerk und Pedal und enthält etliche Obertonregister, die dem Klang eine plastische Farbigkeit verleihen, was vor allem für die polyphone Orgelmusik von Vorteil ist. Rudolf Walter, der das Einweihungskonzert der Führer-Orgel am 21. Mai 1961 spielte, bescheinigte: „Die Disposition ist wohldurchdacht und zeitgemäß gestaltet. Nicht nur das unumgängliche Nötige ist bereitgestellt, sondern eine Mannigfaltigkeit und Farbigkeit erreicht, die ein reich gestuftes Spiel ermöglichen.“

Die erste Generalreinigung und Überholung erfolgte 1972 durch die Erbauerfirma. 1980 wurden neue Schleifenzugmotoren eingebaut, weitere Reparaturen erfolgten 1985 und 1989. Im Rahmen einer weiteren Reinigung und Generalüberholungen nahm die Fa. Führer einige Dispositionsänderungen vor: Umintonation von Quintatön 16' zu Bourdon 16' (HW), Änderungen der Zusammensetzung des  Scharff 4f. (HW) und der Kleinmixtur 3f. (SW); im Rückpositiv wurde aus Glockenobertöne 4f. durch das Entfernen der beiden oberen Chöre Sesquialtera 2f.; außerdem Ersatz von Geigenregal 4' durch Vox humana 8'. Und die Koppel vom Schwellwerk zum Rückpositiv wurde im Zuge des Einbaus einer neuen 32fachen Setzeranlage ergänzt. 2002 erhielt der Spieltisch neue Klaviaturen.

Seit 2005 wird die Orgel durch Orgelbau Lobback (Neuendeich, jetzt Steinhausen b. Büren) betreut. Durch diese Firma wurden in den vergangenen Jahren mehrfach kleinere Reparaturen vorgenommen. Unter anderem erhielt die Orgel 2020/22 eine neue Setzeranlage.

Bis heute ist die Delmenhorster Führer-Orgel ein wichtiges Zeugnis einer neuen Epoche des Nachkriegs-Orgelbaus im Oldenburger Land, die in hohem Maße durch die fruchtbare Zusammenarbeit des Delmenhorster Kirchenmusikers und späteren Professors Günter Berger mit der Wilhelmshavener Orgelbaufirma Alfred Führer geprägt wurde.

I. RÜCKPOSITIV | C–g³

Principal 8'

Rohrgedackt 8'

Oktave 4'

Blockflöte 4'

Flachflöte 2'

Schalmey 2' Bass [bis f¹]

Sesquialtera 2f.

Terzian 2f.

Oktave 1'

Scharff 4f.

Zimbel 3f.

Holzregal 16'

Krummhorn 8'

Vox humana 8'

Tremulant

III-I

II. HAUPTWERK | C–g³

Bourdon 16'

Praestant 8'

Spitzflöte 8'

Oktave 4'

Rohrflöte 4'

Oktave 2'

Mixtur 4-6f.

Scharff 4f.

Span. Trompete 16'

Span. Trompete 8'

III-II

I-II

III. SCHWELLWERK | C–g³

Gedackt 8'

Gamba 8'

Nachthorn 4'

Nasat 2 2/3'

Principal 2'
Gemshorn 1 3/5'

Partialton 3f.

Mixtur 3f.

Kleinmixtur 3f.

Bombarde 16'

Oboe 8'

Trompete 4'

Tremulant

PEDAL | C–f¹

Principal 16'

Subbass 16'

Oktavbass 8'

Holzgedackt 8'

Hohlflöte 4'

Bauernflöte 2'

Nachthorn 1'

Rauschbass 4f.

Posaune 16'

Trompete 8'

Trompete 4'

III-P

II-P

I-P


Moderne Setzeranlage [2023] mit Sequenzern und freien Kombinationen.

Schleiflade, Spieltraktur mechanisch, Registertraktur elektrisch

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D-27749 Delmenhorst | Louisenstraße 30


Quellen und Literatur: Rolf Hirschfeld, Die Orgeln in der Pfarrkirche St. Marien zu Delmenhorst, Delmenhorst 1993 ⋄ Günter Berger, Die neue Orgel in St. Marien, Delmenhorst, in: Musik und Altar 14 (1961/62), S. 230–233 ⋄ Archiv Orgelsachberatung des BMO Vechta ⋄ Eigener Befund.

Nr. 424 | Diese Orgel habe ich zum ersten Mal am 20.08.2011 in Vorbereitung auf ein Konzert gespielt.
© Dr. Gabriel Isenberg | Letzte Änderung: 16.03.2025.